Paul Eitel (59) wäre heute entweder Pfarrer oder Richter, wenn er dem Wunsch seiner Eltern und Verwandten gefolgt wäre. Doch weder ein Leben als Pfarrer noch eine Richterkarriere kamen für ihn in Frage. Beide müssten in jeder Hinsicht ein Vorbild sein. «Das würde mich komplett überfordern», sagt Eitel und setzt ein spitzbübisches Lächeln auf.
Eitel arbeitet heute in einem Teilpensum als Professor an der Universität Luzern und in Solothurn als Anwalt. Seine Schwerpunkte: das Erb-, Familien- und Güterrecht. Diese berufliche Kombination sei eine «optimale Lösung». Die Praxis befruchte die Wissenschaft – und umgekehrt: «Auf viele Themen, die ich als Professor behandle, bin ich erst in der Praxis gestossen.»
“Intellektuell attraktiv und wirtschaftlich wichtig”
Praxiserfahrung sammelt Eitel seit 1991 im heutigen Advokatur- und Notariatsbüro Bracher Spieler Schönberg Eitel Rechsteiner. 1997 wurde er an der Universität Bern zum Privatdozenten ernannt. Hier hatte Paul Eitel auch sein Studium absolviert.
Warum ist gerade das Erbrecht zu seinem Spezialgebiet geworden? Eitels Antwort: «Es ist intellektuell attraktiv und wirtschaftlich wichtig.» Erstaunlich ist für ihn, dass sich trotz der Bedeutung des Erbrechts für die Bevölkerung «auf Stufe der Gesetzgebung wenig bis nichts getan hat». Es gebe wenige Leitentscheide des Bundesgerichts. Deshalb seien viele Fragen bis heute ungelöst. Eitel fügt kritisch hinzu: «Und gibt es einmal ein Urteil, ist dieses nicht immer unbestritten.»
Andererseits habe während der vergangenen Jahre die Literatur im Erbrecht enorm zugenommen. Dazu trägt Eitel mit der Fachzeitschrift «Successio» selbst bei. Er ist für die Heftplanung verantwortlich. «Diese Arbeit beansprucht viel Zeit, aber die Publikation liegt mir sehr am Herzen.» «Successio» publiziert bis zu 300 Seiten im Jahr. Paul Eitel: «Ganz schön viel für eine Publikation, die sich einzig dem Erbrecht widmet.»
Dass es in seinem Fachgebiet wenig höchstrichterliche Leitentscheide gibt, führt Eitel darauf zurück, dass viele erbrechtliche Streitigkeiten endgültig von den unteren Instanzen entschieden würden. «Oder es kommt früher oder später zu einem Vergleich.» Im Erbrecht gebe es zudem verhältnismässig viele Vergleiche. Das kommt ihm entgegen. Denn Eitel stellt an sich eine natürliche Begabung zum Mediator fest.
“Durchaus kein stilles Wässerchen”
Das scheint nicht seine einzige Stärke zu sein: Der Zürcher Erbrechtler Peter Breitschmid schätzt Eitel als einen «pragmatischen Dogmatiker». Er sei «sattelfest in den Prinzipien, aber kein Prinzipienreiter». Thomas Sutter-Somm von der Uni Basel schätzt, dass Eitel «stets sehr präzis und exakt ist in seiner juristischen Argumentation und diese auch Tiefgang hat». «Ein absoluter Schnelldenker», findet Kollegin Alexandra Jungo. Er erkenne die wesentlichen Fragen auf Anhieb, so die Freiburger Professorin. Jungo: «Der Schein trügt, Eitel ist durchaus kein stilles Wässerchen.» Wer schon mit ihm im Ausgang gewesen sei, wisse, dass er locker bis zum frühen Morgen diskutieren könne – nicht nur über Erbrecht. Dabei komme auch seine «selbstironische Seite» zum Zug.
Spricht man Eitel auf die geplante Erbrechtsrevision an, verfliegt sein Humor: «Ich bin von der Revision nicht begeistert.» Der Vorentwurf und der Bericht dazu seien nicht «mit der Hingabe und dem Herzblut gemacht worden, wie es eigentlich der Fall sein sollte», sagt er. In seiner Kritik unterscheidet er technische (redaktionelle) und rechtspolitische Rückschritte. Punkto Rechtspolitik könne man immer unterschiedlicher Meinung sein, sagt das FDP-Mitglied. Punkto Technik hat er jedoch grössere Probleme: «Ich finde, es sollte möglich sein, jede – das heisst auch eine schlechte – rechtspolitische Weichenstellung zumindest redaktionell brauchbar umzusetzen.»
Im Vorentwurf seien etwa bei der Ausgleichung (Art. 626 ZGB) technisch mindestens drei Elemente nicht geglückt: «Erstens ist nicht einmal mehr klar, wer die Schuldner der gesetzlichen Ausgleichung sind.» Nach geltendem Recht seien es die Nachkommen – da es so im Gesetz umschrieben ist. Im Vorentwurf werde der Kreis der Schuldner aber nicht mehr umschrieben. Es könne sich also beispielsweise auch um den Ehegatten handeln.
Zweitens werde der Begriff «Erbvorbezug» neu eingeführt, obwohl dieser anerkanntermassen «unscharf» sei. Und drittens würden die Objekte der gesetzlichen Ausgleichung, also die auszugleichenden Zuwendungen neu nur noch als «Ausstattungen» umschrieben. «Dieser Begriff ist zu unscharf und altväterisch, und der unbefangene Laie kann damit nicht wirklich etwas anfangen.» Wenn schon, so Eitel, sollte man hier die einschlägige Formel des Bundesgerichts übernehmen: Ausgleichspflichtig sind demnach «Zuwendungen zum Zweck der Begründung, Sicherung oder Verbesserung der wirtschaftlichen Existenz des Empfängers».
Rechtspolitisch schlägt Eitel vor, die Objekte der Ausgleichung neu so umzuschreiben, dass nicht nur Grosszuwendungen mit Versorgungscharakter (im Vorentwurf «Ausstattungen») unter die Ausgleichungspflicht fallen, sondern alle Grosszuwendungen – also auch jene mit Vergnügungs- oder Luxuscharakter. Punkto Subjekt der Ausgleichung sollte seines Erachtens klargestellt werden, dass der Ehegatte nicht nur nicht Schuldner, sondern – entgegen der Praxis des Bundesgerichts – auch nicht Gläubiger der gesetzlichen Ausgleichung ist.
Ab 65 nur noch nach dem Lustprinzip arbeiten
Paul Eitel ist ein Einzelkämpfer: «Ich arbeite prinzipiell alleine und habe bewusst keine angestellten Mitarbeiter in der Kanzlei – ausser seit 25 Jahren dieselbe Sekretärin.» Als Ausgleich geht der Jurist mit seiner Frau viel in die Natur oder fährt Fahrrad. Zudem habe er angefangen, alle Verpflichtungen, die ihn belasten, abzubauen oder ganz loszulassen. «Es nützt ja nichts, wenn ich jetzt grosse Erbrechtskommentare schreibe und in fünf Jahren ist alles neu.»
Ab 65 will Eitel keine Verpflichtungen mehr haben und einzig nach dem Lustprinzip arbeiten. Das kann auch bedeuten, «etwas zu schreiben, mal einen Fall anzunehmen oder ein Gutachten auszuarbeiten». Sicher wolle er dann mehr Zeit mit seiner Frau und seinem Sohn (29) verbringen. Vielleicht komme auch ein Hund dazu. «Am liebsten wieder ein Boxer.»