Aufgestiegen
Christoph Niederer, lic. iur., Rechtsanwalt, eidg. dipl. Steuerexperte, ist seit September 2010 Partner und Leiter des Steuerteams bei Vischer Rechtsanwälte. Der 38-Jährige berät nebst nationalen und internationalen Unternehmen auch Einzelpersonen und Family Offices in Fragen der Nachlassplanung oder Vermögensstrukturierung. Er verfügt über mehr als zehn Jahre Berufserfahrung im Steuerbereich.
Oliver Rappold, lic. iur., LL.M., Rechtsanwalt, ist seit 1. Juli 2010 neuer Partner bei Gloor & Sieger. Die Tätigkeitsgebiete des 40-Jährigen sind unter anderem das private und öffentliche Immobilienrecht, Unternehmensübernahmen und Unternehmensfinanzierungen sowie Gesellschafts- und Vertragsrecht. Zuvor war er unter anderem Legal Counsel einer Venture-Capital-Firma in Singapur und Vietnam, bevor er im Jahr 2000 als Anwalt in Zürich tätig wurde.
Gabriela Taugwalder, lic. iur., LL.M., Rechtsanwältin, ist im Januar 2010 in die Partnerschaft der Wenger & Vieli AG, in Zürich und Zug, aufgenommen worden. Sie ist insbesondere spezialisiert im Immaterialgüterrecht, Firmen- und Namensrecht, Lauterkeitsrecht, Werberecht sowie Heilmittel- und Gesundheitsrecht. Zuvor war die 44-Jährige als Rechtsanwältin bei einer international tätigen Wirtschaftsberatungs- und Revisionsgesellschaft sowie bei zwei auf Immaterialgüterrecht spezialisierten Kanzleien tätig.
Thomas Spohr, Rechtsanwalt, ist seit 2010 Partner bei Dr. Widmer & Partner in Bern. Spohr studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Würzburg, Augsburg und Genua mit den Schwerpunkten Arbeits- und Wirtschaftsrecht. Als deutscher Rechtsanwalt wurde er im Jahre 2007 zugelassen.
Arnold F. Rusch, Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, ist im März 2010 zum Privatdozenten für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich ernannt worden. Der 38-Jährige wurde 1999 als Anwalt zugelassen und doktorierte 2004 zum Thema «Interzession im Interesse des Aktionärs» bei Professor Dieter Zobl. Seine Habilitationsschrift trägt den Titel «Rechtsscheinlehre in der Schweiz».
Patricia M. Schiess Rütimann, Dr. iur., Rechtsanwältin, ist von der erweiterten Universitätsleitung der Universität Zürich auf das Herbstsemester 2010 zur Privatdozentin für Privatrecht, Verfassungsvergleichung und Staatsorganisationsrecht ernannt worden. Ihre Habilitationsschrift untersucht die politischen Parteien.
Markus Schott, Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, ist im März 2010 zum Privatdozenten für Öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Zürich ernannt worden. Ausserdem ist der 39-Jährige seit Anfang 2010 Rechtsanwalt bei Bär & Karrer in Zürich. Nach Studien in Basel und Neuenburg war er von 1997 bis 1999 Assistent von Professor René Rhinow an der Universität Basel und danach als Rechtsanwalt in Basel tätig. 2004 erwarb er den LL.M. in Harvard.
Gian Paolo Romano, Dr. iur., ist seit September 2010 Professeur associé an der Universität Genf. Seit 2009 ist er Privatdozent an der Universität St. Gallen, seit 2008 Enseignant invité an der Universität Paris 2 und seit 2007 Lehrbeauftragter an der Universität Lausanne. Studiert hat Romano in Mailand und Tübingen. Seine Antrittsvorlesung an der Universität St. Gallen wird er am 19. Oktober 2010 halten.
Gewählt
Die Vereinigte Bundesversammlung hat die sieben Mitglieder der neuen Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft gewählt: Thierry Béguin, 63, lic. iur., ehemaliger Staatsanwalt, alt Staatsrat und alt Ständerat des Kantons Neuenburg; Giorgio Bomio, lic. iur., 51, Richter am Bundesstrafgericht in Bellinzona; Thomas Fingerhuth (Bild oben), lic. iur., 47, Rechtsanwalt in Zürich; Niklaus Oberholzer (Bild links), Dr. iur., 57, Präsident der Anklagekammer des Kantons St. Gallen; Hansjörg Seiler, Dr. iur., 55, Bundesrichter in Luzern; Carla Wassmer, 65, Dr. oec. HSG, Rechtsanwältin in Schwyz; David Zollinger, 45, lic. iur., alt Staatsanwalt, Mitglied der Geschäftsleitung von Wegelin & Co. Privatbankiers, Zürich.
Lucrezia Glanzmann-Tarnutzer, Dr. iur., LL.M., ist von der Vereinigten Bundesversammlung zur Bundesrichterin gewählt worden. Sie tritt damit die Nachfolge von Bundesrichter Michel Féraud an, der aus dem Kanton Solothurn stammt und auf Ende Jahr aus Altersgründen zurücktritt. Die Luzerner Oberrichterin ist Mitglied der FDP. Als neuen nebenamtlichen Bundesrichter hat die Vereinigte Bundesversammlung Stephen Berti, Dr. iur., gewählt. Der 54-Jährige ist Professor für Zivilprozessrecht an der Universität Luzern.
Benjamin Schindler, Prof., Dr. iur., ist auf Beginn des Herbstsemesters 2010 zum Privatdozenten für Öffentliches Recht an der Universität Zürich ernannt worden. Bereits am 1. Februar 2010 wurde der 39-Jährige zum Nachfolger von Professor Rainer Schweizer an die Universität St. Gallen berufen.
Alberto Fabbri, lic. iur., LL.M., ist am 8. September vom Grossen Rat zum Ersten Staatsanwalt des Kantons Basel-Stadt für die Amtsperiode von 2011 bis 2016 gewählt worden. Der 43-Jährige wird Nachfolger von Thomas Hug, der Ende Jahr in den Ruhestand tritt. Der Secondo Fabbri war zehn Jahre Polizist in der Stadt Basel und studierte berufsbegleitend an der Universität Basel Rechtswissenschaften. 2001 wurde er Staatsanwalt des Bundes in Bern im Bereich internationale Rechtshilfe. Anfang 2009 wählte der Grosse Rat Fabbri auf Vorschlag der CVP zum Ersatzrichter am Strafgericht, Anfang 2010 beförderte ihn die Bundesanwaltschaft zum Leitenden Staatsanwalt des Bundes. Im Militär bekleidet er den Rang eines Oberstleutnants und ist Auditor am Militärgericht 4 tätig.
Beat Eberle, lic. iur., ist vom Regierungsrat des Kantons Graubünden zum neuen Polizeikommandanten gewählt worden. Der 50-jährige Berufsoffiziertritt sein Amt im kommenden Januar an, er leitet zurzeit noch das Kompetenzzentrum für friedensfördernde Einsätze. Eberle hatte Rechtswissenschaften in St. Gallen und Bern studiert und anschliessend das Rechtsanwaltspatent erworben.
Helen Keller, Völkerrechtsprofessorin, ist im September 2010 in den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen gewählt worden. Keller lehrt seit 2004 als ordentliche Professorin Europa- und Völkerrecht an der Universität Zürich; Die 46-Jährige trat seinerzeit die Nachfolge von Professor Walter Kälin an. Der Menschenrechtsausschuss ist das Vertragsorgan des Uno-Paktes über bürgerliche und politische Rechte und besteht aus 18 unabhängigen Experten mit hohen moralischen Standards und anerkannter Kompetenz auf dem Gebiet der Menschenrechte.
Der Grosse Rat des Kantons Bern hat in der Septembersession den bisherigen Vizepräsidenten Professor Bernard Rolli, zum Verwaltungsgerichtspräsidenten gewählt. Der 53-Jährige Fürsprecher ist Mitglied der FDP und löst den bisherigen Präsidenten Jörg Scheidegger (SP) ab, der fortan wieder als Verwaltungsrichter tätig sein wird. Im Weiteren wählte das Parlament Hans Ulrich Bühler (FDP) und Beat Brechbühl (parteilos) zum Richter am kantonalen Zwangsmassnahmengericht. Als Regionalrichterinnen wurden gewählt: Esther Wyss Iff (BDP) und Evelyne Halder (parteilos), zu Vorsitzenden der regionalen Schlichtungsbehörden Ruth Bäriswyl Weber (SP), Carine Egger Scholl (parteilos), Sibylle Frech (BDP), Thomas Frey (SP), Bettina Gerber-Germann (BDP), Irene Graf (SP), Chantal Käser (parteilos), Marlis Koller-Tumler (parteilos), Tina Leiser (BDP), Martina Siegrist Minder (SP) und Dirk Wimmer (parteilos). Bereits in der Junisession wählte der Grosse Rat zum Vorsitzenden der Schlichtungsbehörden: Marco Ferrari (FDP), Beatrice Fischer (FDP), Hansjürg Hubacher (SVP), Jean-Jacques Lüthi (parteilos) sowie Caroline von Samson (FDP).
Aufgefallen
Bernard de Preux, 64, pensionierter Untersuchungsrichter aus dem Unterwallis, hat keine Angst vor dem Wolf. Der Wolf des Anstosses ist allerdings schon länger tot: Im Jahr 2006 wurde er vom damaligen Justizminister Jean-René Fournier zum Abschuss freigegeben - obwohl das Kantonsgericht den Abschuss wegen einer Beschwerde des WWF mittels aufschiebender Verfügung verboten hatte. Fournier foutierte sich darum und meinte damals provozierend: «Es gibt mehrere Arten, einen Gesetzesartikel zu interpretieren.» Prompt folgte eine Strafklage des WWF gegen Fournier, die bei den Walliser Richtern jedoch vier Jahre lang liegen blieb. Dort läge sie vielleicht heute noch, wenn nicht der pensionierte Bernard de Preux während fünf Monaten beim Untersuchungsamt für eine Stellvertretung eingesprungen wäre. Beherzt trieb er das Dossier in kurzer Zeit voran und eröffnete die Untersuchung im Fall Fournier, der sich nun vielleicht doch noch vor den Richtern verantworten muss. Für eine Stellungnahme war de Preux nicht verfügbar: Er habe schon zu Berufszeiten die Öffentlichkeit gemieden und werde diesem Grundsatz auch als Pensionär treu bleiben, liess er ausrichten. stoc
Stefan Suter, 46, Advokat in Basel, trägt seit August dieses Jahres den höchsten päpstlichen Orden, der an Laien vergeben wird: den Gregoriusorden. Die Auszeichnung erhielt er aber nicht etwa für seine Vertretung des Basler Bischofs Kurt Koch in der Auseinandersetzung mit dem widerspenstigen Priester Franz Szabo, sondern für seinen «Eifer in der Verteidigung der katholischen Religion». Konkreter Anlass für die hohe päpstliche Auszeichnung mit dem acht-zackigen Kreuz war sein Engagement in Afrika. Besonders in Madagaskar ist der Basler Anwalt sehr aktiv: «Ein befreundeter Basler war Pfarrer in Madagaskar, verstarb aber früh an Malaria. Zunächst versuchte ich nur, einige seiner Projekte zu retten - daraus sind in den letzten zehn Jahren über vierzig Schulen, Behindertenheime und Krankenstationen geworden.» In Würdigung seiner Arbeit hat die madagassische Bischofskonferenz Suter für den päpstlichen Orden vorgeschlagen, den der Anwalt schliesslich erfreut in Empfang nahm: «Das ist eine sympathische Anerkennung für meinen Einsatz für die Armen und Kranken in Afrika.» Landesweit bekannt wurde Suter erstmals in den Neunzigerjahren als Verteidiger des Finanzspekulanten Werner K. Rey. stoc
Hans Ulrich Gerber, 52, Gerichtspräsident 4 der Zivilabteilung des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen, ist beim Aktenstudium wählerisch. Gerber räumte während der mündlichen Urteilsverkündung ein, zwei von der beklagten Partei eingebrachte, private Gutachten des emeritierten
Professors Franz Riklin und des Medienrechtlers Peter Studer nicht gelesen zu haben. Es ging um einen Ehrverletzungsprozess: Ein Journalist hatte das E-Mail eines SP-Stadtparlamentariers als «tollwütig» bezeichnet und sich damit eine Klage eingehandelt. Kann denn ein Richter nach eigenem Gutdünken entscheiden, ob er ein Privatgutachten lesen will? «Ja, in diesem Falle schon», sagt Gerber zu plädoyer, «denn das private Gutachten enthielt eine Abhandlung zu einer reinen Rechtsfrage.» Rechtsfragen zu entscheiden, sei die Kernaufgabe des Gerichtes. Die Parteien
hätten nach der noch gültigen kantonalen Zivilprozessordnung grundsätzlich von rechtlichen Erörterungen Abstand zu nehmen, bis das Beweisverfahren abgeschlossen sei. Erst im zweiten Parteivortrag könnten sie eine rechtliche Würdigung vornehmen. Weil aber Parteivorträge im Kanton Bern nicht schriftlich entgegengenommen werden, muss der Richter auch kein Gutachten lesen, das er nicht angefordert hat. Hans Ulrich Gerber entschied dennoch im Sinne des Beklagten. Der beanstandete Ausdruck «tollwütig» beziehe sich auf das E-Mail und nicht auf die Person des Klägers. Dessen Ehre sei somit nicht verletzt. sci
Was macht eigentlich Professor Gerhard Walter?
Mehr als die Hälfte seines Lebens hat er der Juristerei gewidmet. Nun sei Schluss, sagt Gerhard Walter (61), früherer Professor für SchKG und internationales Verfahrensrecht an der Uni Bern. Mit dreissig war er jüngster Ordinarius in Deutschland. Vor einem Jahr tauschte er das SchKG und das Lugano-Übereinkommen gegen die Perikopenordnung und das Neue Testament ein. Die Perikopenordnung regelt, was im Gottesdienst aus der Bibel gelesen und gepredigt wird. Daran orientiert sich Walter bei seinem Bibelstudium. Immer sonntags liest er im griechischen Originaltext etwas aus seinem Lieblingsevangelium, demjenigen des Johannes.
Griechisch hat er vor fünf Jahren anlässlich eines Forschungssemesters als immatrikulierter Student an der theologischen Fakultät der Uni Bern gelernt. «Der Sommer war so lausig, dass ich noch vor Semesteranfang den Kommentar zur Schiedsgerichtsbarkeit fertig hatte», sagt Walter. Und so hatte er Zeit, Theologie zu studieren. «Mein Traum, das Neue Testament im griechischen Urtext zu lesen, ist in Erfüllung gegangen», schwärmt er.
Ende Jahr wird Walter seine Zelte in Bern abbrechen und umziehen: «In den Freistaat Bayern, ich sage bewusst nicht Deutschland», betont der gebürtige Schwabe. «Ich will dann in einer Blaskapelle mit Lederhosen Zugposaune spielen.» In Bayern, wo seine Frau seit ein paar Jahren wohnt, singt er in einem Chor. Bei den Benediktinern im Erlebniskloster Andechs - «Genuss für Leib und Seele» - macht er im Gottesdienst als Lektor mit. Lektoren sind speziell befähigte Vorleser, die im Gottesdienst aus den Evangelien vorlesen. «Das bayerische Bier, das sie dort brauen, ist herrlich», rühmt er. Aus der protestantischen Kirche sei er ausgetreten. «In Bayern besuche ich katholische Gottesdienste und in Bern diejenigen der Christkatholiken», sagt Walter, der pro Woche bis zu vierzig Kilometer joggt. rz
Ausgestiegen: Corinne Schmidhauser, neu Schulleiterin
Acht Jahre lang fuhr Corinne Schmidhauser (46) als Skirennfahrerin. Den Gesamtweltcup im Slalom gewann sie 1987. Ihr Leben erinnert immer noch an ein Weltcuprennen: jede Station eine Torstange.
Mit 25 Jahren Rücktritt vom Spitzensport, Studium der Rechtswissenschaften an der Uni Bern, gleichzeitig Sportreporterin und anschliessend Redaktorin für die Zeitung «Der Bund». Nächstes Tor: Lizentiat, dann Anwaltsprüfungen, juristische Mitarbeiterin bei einer Rechtsschutzversicherung. Ein Jahr später eine eigene Kanzlei. Sieben Jahre später Zusammenschluss mit einer Berner Wirtschaftskanzlei. Nach dem ersten Lauf: Zwei Söhne im Alter von acht und zehn Jahren, zehn Jahre Selbständigkeit in der Advokatur, seit gut einem Jahr FDP-Kantonsparlamentarierin, Präsidentin von Antidoping Schweiz.
In den zweiten Lauf ist Schmidhauser im Februar 2010 als Leiterin der Feusi Sportschulen in Bern gestartet. «Irgendwie sah ich keine Perspektive mehr. Die Leidenschaft liess nach zehn Jahren in der Advokatur nach - ich musste mich bewegen», erklärt die frühere Spitzensportlerin, die selber einst das Feusi Sportgymnasium besucht hat. Sie sei zwar eine Teamplayerin, sagt sie. Aber geht es ihr zu langsam vorwärts, dann zieht sie schon mal los und fährt wieder allen davon.
Also tauschte sie den Businessanzug gegen legere Kleidung. «Ich bin zielorientiert, das kommt noch vom Spitzensport», sagt sie. Als sie die Stellenausschreibung in der Zeitung las, wusste sie sofort: «Das ist es.» Die Arbeit als Schulleiterin gefällt ihr. «Ich kann an Lösungen arbeiten und geniesse viel Freiheit.» Sie strahlt, wenn sie von der Leidenschaft ihrer Schülerinnen und Schüler für den Sport erzählt. «In diesem Job kann ich mich als Ganzes einbringen.» Dass ihre Schülerinnen und Schüler siegen, ist ihr nicht so wichtig. «Die Leidenschaft, für etwas Bestimmtes zu leben, ist viel wichtiger. Das bedeutet Glück.» rz
Eingesperrt: Menschenrechtsanwältin Le Thi Cong Nhan
Die vietnamesische Menschenrechtsanwältin Le Thi Cong Nhan wurde am 6. März 2007 von Sicherheitskräften in Hanoi festgenommen und wegen «staatsfeindlicher Propaganda» zu vier Jahren Haft verurteilt, nachdem sie für Studierende Workshops und Seminare über die internationalen Menschenrechtsnormen durchgeführt hatte.
Wegen ihrer anwaltlichen Tätigkeit und ihrer offenen Kritik an der Regierung stand Le Thi Cong Nhan bereits vor ihrer Verhaftung unter Überwachung. Ihr Telefonanschluss und ihre Internetverbindung wurden regelmässig abgeschaltet. Inzwischen ist ihr auch die Anwaltslizenz entzogen worden.
Die vietnamesischen Behörden haben seit 2006 mindestens dreissig Dissidenten, darunter eine Reihe von Anwälten, zu langen Haftstrafen verurteilt. Die meisten unterstützen eine demokratische Bewegung im Internet namens Bloc 8406 oder andere verbotene Gruppen, die Demokratie und die Einhaltung der Menschenrechte fordern. Die Mehrheit wurde gemäss dem Abschnitt über nationale Sicherheit im Strafgesetzbuch von 1999 zu Haftstrafen verurteilt. Dazu kommen Verurteilungen von bis zu fünf Jahren Hausarrest nach der Entlassung aus dem Gefängnis.
Li Thi Cong Nhan war Mitglied des Menschenrechtskomitees in Vietnam und unterstützte den Bloc 8406. Sie war Sprecherin für die «Viet Nam Progression Party» (VNPP), eine von vielen pro-demokratischen Gruppierungen. Li Thi Cong Nhan schrieb für Webseiten und kritisierte insbesondere die nationale Gesetzgebung, die willkürliche Verhaftungen ermöglicht, sowie die Tatsache, dass unabhängige Gewerkschaften und Streiks verboten sind.
Li Thi Cong Nhan wurde nach Beendung ihrer Haftstrafe, die - nach stattgegebener Berufung - von vier auf drei Jahre reduziert wurde, am 6. März 2010 entlassen und steht nun während drei Jahren unter Hausarrest.
Christine Heller, Amnesty International Schweiz
Das Zitat
«Wir haben momentan circa 70 000 Häftlinge, und jeder kostet den Staat 110 Euro am Tag. Das kann sich der Staat nicht mehr leisten. In den goldenen Sechzigerjahren, da hätten wir locker eine Million Leute einsperren können. Das Geld war da. Aber der politische Wille fehlte.»
aus: Werner Koczwara, «Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt. Das Hausbuch der juristischen Hochkomik», Verlag Antje Kunstmann, München 2010