Was macht eigentlich die erste Bundesrichterin, Margrith Bigler?
In ihrer Neubauwohnung in St. Gallen steht ein Klavier mit geöffnetem Deckel und aufgeschlagenem Notenheft. «Seit meiner Pensionierung spiele ich wieder», sagt Margrith Bigler-Eggenberger.
1972, ein Jahr nach Einführung des Frauenstimmrechts, wurde die St. Gallerin zur Ersatzrichterin ans Bundesgericht gewählt. Zwei Jahre später wählte die Vereinigte Bundesversammlung sie zur Bundesrichterin. Sie sollte 17 Jahre lang die einzige Frau auf «Mon Repos» sein. 1994 kam die Pensionierung, gefolgt von zwei Jahren weiterer Arbeit als Ersatzrichterin.
Mit dem Buch zur Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Gleichstellung von Frau und Mann «Justitias Waage - wagemutige Justitia» hat sie über ihre Pensionierung hinaus über die Entscheide der früheren Kollegen gewacht. Vorderhand publiziere sie nicht mehr: «In den vergangenen zwei Jahren hatte ich keine Kraft mehr. Es ist, als ob mir der Schnauf fehlte.» Der Tod ihres Mannes, Kurt Bigler, hat sie wie gelähmt. 48 Jahre waren die beiden verheiratet.
Nun hat sie aber «grad eine Anfrage bekommen». Für ein Schlusswort in einem Sammelband über unterschiedliche Lebensformen, herausgegeben von den feministischen Juristinnen. Den letzten Artikel schrieb sie über die Rechte des behinderten Kindes in der Verfassung. Neben dem Klavierspiel kümmert sie sich als Preisstifterin um den Dr. Bigler/Bergheimer-Preis. Auf Wunsch ihres verstorbenen Mannes, der als jüdischer Flüchtling in die Schweiz kam,hat sie einen Fonds errichtet. Arbeiten oder Projekte, die sich mit dem Holocaust, Antisemitismus oder Rassismus befassen, sollen mit einem Geldpreis gefördert werden.
Zentrales Thema für die 78-Jährige bleibt aber die Gleichstellung. «Ich möchte es erleben, dass ein paar Pendenzen abgetragen werden», sagt sie. «Zum Beispiel gleicher Lohn für Frau und Mann.» rz
Aufgestiegen
Beat Speck, Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, ist Partner bei Wenger Vieli in Zug geworden. Er hat in Bern, Lausanne, Luzern und an der Westminster University in London studiert. Speck ist im Kanton Zug zudem als Notar zugelassen.
Reto Marbacher, Rechtsanwalt und Notar, ist Partner bei Fellmann Tschümperlin Lötscher in Luzern geworden. Marbacher studierte in Bern und arbeitete als Amtsschreiber, als ausserodentlicher Staatsanwalt des Kantons Luzern und als ausserordentlicher Verhörrichter-Stellvertreter im Kanton Obwalden.
Michael Walther, Rechtsanwalt, ist seit Anfang Juli neuer Managing Partner bei der Wirtschaftsanwaltskanzlei GHR Rechtsanwälte AG, Bern/Zürich. Sein Vorgänger, Gerhard Roth, wechselt ins Präsidium des Verwaltungsrats. Walther ist seit 2007 bei GHR Rechtsanwälte. Vorher war er als Berater tätig.
Oliver Wittibschlager, Rechtsanwalt und Notar, ist Partner bei Dietsche Rechtsanwälte in Rorschach geworden. Nach seinem Jus-Studium in St. Gallen arbeitete er bei verschiedenen Advokaturbüros, Wirtschafsprüfungs- und Beratungsunternehmen und bei einer Bank. Parallel hat er an der Universität Zürich Wirtschaft studiert und mit einem Executive MBA abgeschlossen.
Olivier Bauer, Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, ist Partner bei Badertscher Rechtsanwälte geworden. Er hat in Basel und Sydney studiert und arbeitete anschliessend unter anderem als Rechtskonsulent bei einer grossen pharmazeutischen Firma und als Wirtschaftsanwalt bei einer grossen Beratungsfirma.
Daniel Hochstrasser, LL.M., Rechtsanwalt, ist seit Anfang Juni Senior Partner der Anwaltskanzlei Bär & Karrer. Er ist der Nachfolger von Felix Ehrat, der die Kanzlei verlässt, um den Posten des General Counsel des Pharmakonzerns Novartis zu übernehmen. Hochstrasser ist seit 1993 bei Bär & Karrer tätig.
Nathalie Glaus, M.A. HSG in Law und lic. oec. publ., Rechtsanwältin, öffentliche Notarin, ist nun Mitglied der Geschäftsleitung bei Glaus & Partner Rechtsanwälte in Uznach. Nathalie Glaus hat Wirtschaftsinformatik in Zürich und im Zweitstudium Rechtswissenschaften in St. Gallen studiert.
Gegründet
Philip Bärtschi, Rechtsanwalt, hat die Anwaltskanzlei Bärtschi in Luzern gegründet. Der Spezialist für Luftfahrtrecht studierte in Zürich und war anschliessend in Luzern als Substitut an einem Amtsgericht und in einem Anwaltsbüro tätig, anschliessend knapp vier Jahre lang als Junior Partner in einer Wirtschaftskanzlei in Zug.
Eingestiegen
Peter E. Widmer, lic. iur., Notar, ist Partner bei Schärer Rechtsanwälte in Aarau und Brugg geworden. Widmer führte bislang ein eigenes Notariatsbüro in Aarau.
Max Walter, Dr. iur., Rechtsanwalt, ist Partner bei Schumacher Scholl Walter in Zürich geworden. Walter war von 1978 bis 2010 Partner bei einer grossen Zürcher Wirtschaftsanwaltskanzlei.
Regina Natsch, Dr. iur., Rechtsanwältin, wurde Partnerin in der Berner Advokatur Bundesgasse 16. Natsch studierte an der Universität Bern. Anschliessend arbeitete sie am Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Bern, bevor sie in die Advokatur eintrat. Von 2004 bis 2011 war sie bereits Partnerin einer anderen Anwaltskanzlei in Bern.
Gewählt
Christoph Winkler leitet seit Anfang August die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug. Der bisherige Leitende Oberstaatsanwalt, Christian Aebi, hat die Stellvertretung übernommen. Er ist als Leitender Staatsanwalt zurückgetreten, weil er neuerdings nebenberuflich einen Studiengang am Competence Center Forensik und Wirtschaftskriminalistik der Hochschule Luzern leitet. Christoph Winkler studierte an der Universität Zürich, wurde juristischer Sekretär beim Bezirksgericht Horgen, arbeitete später als Bezirksanwalt in Zürich und war dann Zweigstellenleiter Zürich bei der Bundesanwaltschaft.
Der Universitätsrat der Universität Zürich hat Frank Meyer zum ausserordentlichen Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht unter Einschluss des internationalen Strafrechts ernannt. Meyer studierte in Hamburg. In der Folge war er als «Research Assistant» und als «Visiting Scholar» an der Yale Law School in New Haven tätig. Anschliessend arbeitete er als wissenschaftlicher Referent und Projektleiter am Max-Planck-Institut in Freiburg im Breisgau und als wissenschaftlicher Assistent am Strafrechtlichen Institut der Universität Bonn.
Die Vereinigte Bundesversammlung hat am 15. Juni auf Antrag der SVP Yanick Felley ans Bundesverwaltungsgericht gewählt. Felley, Gerichtsschreiber am Bundesverwaltungsgericht, erhielt 134 von 227 gültigen Stimmen. Die Gerichtskommission hatte Sylvie Cossy vorgeschlagen, die 93 Stimmen erhielt. Die SVP begründete ihren Wahlvorschlag damit, sie sei am Bundesverwaltungsgericht untervertreten. Cossy ist Sympathisantin der Grünen, die - wie die Frauen - ebenfalls untervertreten sind.
Das Kantonsgericht St. Gallen hat sich neu konstituiert. Es wählte Beatrice Uffer-Tobler zur neuen Vizepräsidentin. Als Nachfolger des ausscheidenden Kantonsrichters Christoph
Leuenberger übernimmt Rolf Brunner das Handelsgerichtspräsidium. Die Strafkammer wird von Luzius Eugster, die Zivilkammern von Beatrice Uffer-Tobler und die Familienrechtskammer von Dominik Scherrer präsidiert. Das Präsidium der Kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs und über das Handelsregister verbleibt bei Luzius Eugster. Das Präsidium von Anklagekammer und Anwaltskammer wird weiterhin von Niklaus Oberholzer ausgeübt. Die neue Amtsdauer hat Anfang Juni begonnen.
Der Verband bernischer Notare hat im Juni die 41-jährige Rechtsanwältin und Notarin Birgit Biedermann zu seiner Präsidentin gewählt. Sie löst nach sieben Jahren im Amt Notar und Fürsprecher Franz Müller ab.
Ernannt
Urs Hubmann leitet seit Anfang August die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, die sich mit Betäubungsmitteldelikten und organisierter Kriminalität befasst. Hubmann trat 1993 als Bezirksanwalt in die Strafverfolgung Erwachsene des Kantons Zürich ein und war seit 2008 stellvertretender Leitender Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis. Hans Bebié leitet seit Anfang Juli die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat. Er ist seit 1989 als Strafverfolger tätig und war zuletzt stellvertretender Leitender Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl.
Das Berner Kantonsparlament hat Mitte Juni Hanspeter Kiener als Richter am Obergericht gewählt. Kiener wird eine 80-Prozent-Stelle antreten. Die Stellenprozente wurden frei, weil diverse Richterinnen und Richter ihre Pensen reduzieren wollten. Mit seiner Wahl ist die SP am Obergericht übervertreten.
Martina Fankhauser, Steg im Tösstal, ist im Kanton Schaffhausen zur Leitenden Staatsanwältin der Verkehrsabteilung ernannt worden. Die 45-jährige Rechtsanwältin ist bereits seit vergangenem Jahr als Staatsanwältin der Allgemeinen Abteilung im Kanton Schaffhausen tätig. Fankhauser ersetzt die bisherige Leitende Staatsanwältin der Verkehrsabteilung, Kerstin Lehniger, die auf Ende Oktober des laufenden Jahres ihren Rücktritt erklärt hat.
Der Luzerner Kantonsrat hat im Juni den 35-jährigen Hermann Köchli (SVP, Luzern) und den 39-jährigen Patrik Wüest (CVP, Reiden) zu neuen Richtern am Bezirksgericht Kriens gewählt. Zur Abteilungspräsidentin am Bezirksgericht hat das Parlament zudem Vivian Fankhauser-Feitknecht gewählt - mit 104 von 108 gültigen Stimmen.
Umgestiegen:
Fabian Cohn, Pantomime
Fabian Cohn hat immer seine eigenen Wege gesucht. Nach mehrjähriger Tätigkeit in der Verwaltung standen dem Juristen die Türen zu einer Karriere in der baselstädtischen Administration offen - er wählte den Ausgang: «Als Verwaltungsjurist sah ich die Gefahr, bloss zu funktionieren.» Der frühere Junioren-Schweizermeister in Karate folgte seinem Herzenswunsch und zog nach Berlin, um sich als Pantomime ausbilden zu lassen: «So konnte ich meiner Kreativität Raum geben, mit meinem Körper arbeiten, Geschichten erzählen und auf der Bühne stehen.»
Dennoch mag der 34-Jährige seinen Erstberuf nicht als biografische Sackgasse bezeichnen. Die Rechtswissenschaft ist für ihn nach wie vor «ein zentraler Weg, unsere Gesellschaft zu begreifen». Das erste Stück als ausgebildeter Pantomime war denn auch eine Referenz an seinen früheren Beruf. In «Alles, was Recht ist» thematisierte der Künstler das Spannungsfeld zwischen Recht und Gerechtigkeit. Das Stück wurde auch in der Schweiz aufgeführt und gefiel seinen ehemaligen Arbeitskollegen, wie Cohn erfreut erzählt. Die Gerechtigkeit ist dem Pantomimen nicht nur auf der Bühne ein Anliegen. Der Wahlberliner ist in einer Künstlergewerkschaft aktiv und berät seine Künstlerfreunde in rechtlichen Angelegenheiten. Dieser Bezug zur Realität ist Cohn wichtig: «Ich will als Künstler nicht in einer Sphäre über dem Alltag schweben.» Über die Frage nach seinem heutigen Alltag muss Cohn gleichwohl lachen: «Den gibt es nicht. Ich reisse immer wieder neue Projekte an und arbeite als Pantomime, Drehbuchautor oder Schauspieler.» Zwar betont Cohn, dass auch für einen Künstler die Spezialisierung wichtig sei, «aber die lässt sich
nicht erzwingen». Wohin ihn nun sein Weg führt, ist für den Juristen und Künstler Cohn offen: «Ich bin auf der Suche nach künstlerischer Verwirklichung - vielleicht mein Leben lang.» vb
Angeschossen:
Karwan Kamal, Anwalt
Der Menschenrechtsanwalt Karwan Kamal wurde am 26. Juni 2011 in der kurdischen Provinzhauptstadt Suleymania im Norden Iraks Opfer eines Anschlags und musste mit schweren Beinverletzungen ins Spital gebracht werden. Der Anschlag geschah, als Kamal zusammen mit einem Freund aus einem Restaurant kam und zum Parkplatz gehen wollte, wo er sein Auto abgestellt hatte. Ein in traditionelle Gewänder gekleideter Mann schoss aus kurzer Distanz fünfmal auf den Anwalt und traf ihn im linken Bein. Sein Freund und ein Parkwächter wurden durch Splitter verletzt. Der Schütze floh im Auto eines Komplizen.
Suleymania war ab dem 17. Februar 2011 ein Schauplatz des «arabischen Frühlings»: Täglich demonstrierten die Menschen für Freiheit, politische Reformen und wider die Korruption der kurdischen Regionalregierung. Die Sicherheitskräfte reagierten mit grosser Brutalität und schlugen die Protestbewegung zwei Monate später definitiv nieder. Mindestens zehn Demonstrierende wurden getötet, viele verletzt.
Zahlreiche Personen wurden verhaftet. Einige berichteten danach über Folter und Misshandlungen.
Der Menschenrechtsanwalt Kamal leistete mehreren der Verhafteten rechtlichen Beistand. Er teilte Amnesty International aus dem Spital mit, dass er persönlich vor dem Anschlag nicht bedroht worden war. Er wisse jedoch, dass andere Anwälte, die Demonstrierende verteidigt hatten, anonyme Drohungen erhalten haben. Amnesty International und kurdische Menschenrechtsorganisationen glauben deshalb, dass der Anschlag in Zusammenhang mit Kamals anwaltlicher Arbeit steht. Die Organisationen fordern die kurdische Regionalregierung auf, eine unabhängige Untersuchung des Anschlags zu veranlassen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und das Recht auf freie Meinungsäusserung zu respektieren. Reto Rufer, Amnesty International.
Aufgefallen
Kaspar Gerber, 33, bis vor kurzem Gerichtsschreiber am Solothurner Versicherungsgericht, hat dem Bundesgericht «Anlass zu Bedenken» gegeben: In der SZS kritisierte er das Rechtsgutachten Müller / Reich zum IV-Verfahren und schrieb, die Praxis vieler Anwälte, Privatgutachten beizubringen, sei «entschieden zu bekämpfen». Das Bundesgericht befand in Urteil 8C_828/2010 (siehe vorne Seite 61), diese Aussage könne «die durchaus begründete Befürchtung auslösen», dass Gerichtsschreiber Gerber «nicht mehr unbefangen» sei, was sich auf den Entscheid der Richter auswirken könne. Verstärkt werde dies durch die pauschale Wertung «ohne jegliche Moral», welche nicht in einen wissenschaftlichen Beitrag passe und «Despektierlichkeit» gegenüber Versichertenanwälten zum Ausdruck bringe. Deshalb hätte Gerber nach der SZS-Publikation nicht mehr an einschlägigen Entscheiden mitwirken dürfen. Das Bundesgerichtsurteil habe für ihn aber keine Konsequenzen, so Gerber, weil er Mitte August eine neue Stelle im «IV-Bereich» angetreten habe. «Der Entscheid überraschte mich sehr, weil viele Richter mit einer dezidierten Meinung publizieren und das noch nie ein Problem war.» Er würde «den Artikel wieder so veröffentlichen», denn es gehe ihm um die «Gleichbehandlung aller Versicherten». ch
Lorenz Kneubühler, 46, Richter am Bundesverwaltungsgericht, lässt Anwälte in eine Fristenfalle tappen und stützt sich dabei auf ein von ihm mitverfasstes Buch: So setzte er diesen Sommer die Frist für eine Replik auf den 26. Juli 2011 an. Weil der Termin mitten in den Gerichtsferien liegt, verlängert sich die Frist automatisch um den Stillstand - könnte man meinen. Gemäss Artikel 22a des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG) gilt der Stillstand für Fristen, die «nach Tagen bestimmt» sind. Also auch für eine Frist, die auf ein genaues Datum festgelegt wurde? Ja, sagen Christoph Auer, Markus Müller und Benjamin Schindler in ihrem VwVG-Kommentar, gestützt auf weitere Literatur. Ein Anwalt fragte sicherheitshalber beim Bundesverwaltungsgericht nach und wurde von Lorenz Kneubühler eines Besseren belehrt: Der Fristenstillstand des Artikels 22a VwVG gelte nicht «für Rechtshandlungen, für die das Gericht einen festen Termin (Kalendertag) setzt». Der Bundesverwaltungsrichter stützt sich dabei auf das Werk «Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht» von André Moser, Michael Beusch und - Lorenz Kneubühler. Die gegenteilige Meinung im VwVG-Kommentar, so Kneubühler zu plädoyer, «stimmt hier einfach nicht mit der Praxis der Justizbehörden des Bundes überein». ch
Peter Zihlmann, 73, langjähriger Advokat und Richter in Basel, sinniert in seinem neusten Buch über die Justiz und die Medien. «Der Richter und das Mädchen» soll laut Klappentext aufzeigen, «wie Richter funktionieren und Recht und Gerechtigkeit hergestellt werden». Der gut hundertseitige, im Berner Stämpfli-Verlag erschienene Text enthält einen Monolog eines Kandidaten für das Amt des Bundesgerichtspräsidenten, gehalten gegenüber einem Journalisten, der ihn interviewen wollte. Dieser wird mit dem Denken eines erfahrenen Gerichtspräsidenten konfrontiert, der die Unmöglichkeit des gerechten Richtens erkannt hat. Zihlmann philosophiert in Gestalt seiner Kunstfigur nicht nur über Recht und Gerechtigkeit, Recht und Macht, sondern will auch möglichst alle aktuellen Themen - vom Ende der Unschuldsvermutung über den Druck der Medien bis zur Technokratisierung der Justiz - zwischen zwei Buchdeckel bringen. Schwachpunkt des Œuvres ist die Methode des Autors: Zihlmann bedient sich bei realen Vorgängen wie etwa der Schubarth-Spuckaffäre oder dem Kachelmann-Prozess - aber dem Leser wird die Grenze zwischen Realität und Fiktion nie ganz klar. Doch das scheint so gewollt zu sein. Auf Zihlmanns Homepage heisst es: «Das Buch ist wahr, wie es nur Fiktion sein kann.» res