Was macht eigentlich Professor Walter Haller?
«Die Juristerei war schon immer mein Hobby.» Und sie ist es acht Jahre nach der Emeritierung noch immer. Walter Haller zog sich mit 65 Jahren von der Universität Zürich zurück. Er habe genug gehabt von Sitzungen und Prüfungen, wollte sich hauptsächlich der wissenschaftlichen Arbeit widmen.
Jetzt macht er nur noch, «was ich will». Das heisst, von 9 bis 16 Uhr in seinem Büro in Zürich an juristischen Texten arbeiten, Kollegen und ehemalige Assistenten treffen oder an anderen Unis lehren.
«Für mich ist es eine Freude, ins Büro zu kommen», sagt Haller. Auch wenn es strenge Zeiten gebe wie beim Abschluss der Neuauflage des roten Buches «Bundesstaatsrecht».
«Auf ein Projekt bin ich besonders stolz», sagt der 73-Jährige, der sonst bescheiden wirkt: Das englischsprachige Taschenbuch «The Swiss Constitution in a Comparative Context». Es hat ihn während zwei Jahren neben den anderen selbstgewählten Aufgaben tagtäglich begleitet - «eine wahnsinnige Büez». Manchmal habe er sich gesagt: «Du gehst heute nicht heim, bevor zwei Seiten in Englisch druckfertig sind.» Das Werk ist zu einem beliebten Geschenk an Botschafter und Politiker geworden.
Daneben reist Haller gerne in Europa. «Ich geniesse die Freiheit, einfach die Koffer zu packen.» So ging er kürzlich mit seiner Frau nach Spitzbergen, jedes Jahr besucht er Elba und Saas Fee. Eine weitere häufige Destination ist Schweden - seit seiner Dissertation zum «Justitieombudsman». Haller repetiert vor Auslandaufenthalten das jeweilige Vokabular, liest oft schwedische Krimis und spricht mit seiner Frau schwedisch. Mit ihr werde er irgendwann besprechen, wie lange sein wissenschaftliches Wirken weitergehen soll. Sie wisse, dass er im Moment glücklich sei. Denn: «Die Jahre meiner Pensionierung zählen zu den schönsten meines Lebens.» rmb
Gewählt
Die vereinigte Bundesversammlung hat am 13. Juni bei einem absoluten Mehr von 103 Stimmen Niklaus Oberholzer, Dr. iur., Rechtsanwalt, mit 189 Stimmen zum Bundesrichter gewählt. Er war bisher Präsident des Kantonsgerichts St. Gallen. Bevor er Richter wurde, hatte er als Anwalt, kantonaler Untersuchungsrichter und Assistent gearbeitet. Oberholzer ist zudem Mitglied der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft. Er ist SP-Mitglied.
Lorenz Kneubühler, Dr. iur., Rechtsanwalt, hat die vereinigte Bundesversammlung mit 198 Stimmen zum Bundesrichter gewählt. Er war bei seiner Wahl Richter am Bundesverwaltungsgericht und hatte davor als Vizepräsident und Präsident der Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (Rekurskommission des Uvek), als Richter in der Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) und als Gerichtsschreiber am Verwaltungsgericht des Kantons Bern gearbeitet. Er ist ebenfalls Mitglied der SP.
Kneubühler und Oberholzer ersetzen Bundesrichter Niccolò Raselli, der per Ende Juni zurückgetreten ist, und Bundesrichterin Vera Rottenberg Liatowitsch, die altershalber per Ende Jahr aus dem Amt ausscheidet. Wie die Gerichtskommission in ihrem Bericht zum Wahlvorschlag schreibt, nimmt durch die Wahl von zwei Männern der Frauenanteil am Bundesgericht ab, es sind nun 10 Frauen und 28 Männer. Der Anspruch der SP auf die Sitze war unbestritten, weiterhin untervertreten seien jedoch Grünliberale und BDP.
Die Völkerrechtskommission, ein Ausschuss unabhängiger Rechtsexperten der Uno, hat den emeritierten Völkerrechtsprofessor Lucius Caflisch zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Caflisch ist als erster Schweizer seit 2006 Mitglied der Völkerrechtskommission. Diese Wahl sei «ein Zeichen der Anerkennung des wichtigen Beitrags» von Caflisch an die Arbeiten der Kommission, schreibt das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten in seiner Medienmitteilung.
Der Kantonsrat von Luzern hat im März auf Vorschlag der SVP Robert Thalmann, Rechtsanwalt, zum neuen Oberrichter gewählt. Er trat sein Amt am 1. Juli an. Thalmann war seit 2011 leitender Staatsanwalt des Kantons Luzern und zuvor unter anderem als Staatsanwalt, selbständiger Anwalt, Grundbuchinspektor des Kantons Luzern und als Richter erster Instanz tätig.
Der Grosse Rat des Kantons Thurgau hat die folgenden Richter gewählt: Thomas Zweidler, Rechtsanwalt, bleibt Obergerichtspräsident. Im Amt als Oberrichter bestätigt wurden zudem: Anna Katharina Glauser Jung, Rechtsanwältin, Peter Hausammann, Rechtsanwalt, Marcel Ogg, Dr. iur., Rechtsanwalt, François Reinhard, Rechtsanwalt, und Elisabeth Thürer, Dr. iur., Rechtsanwältin. Wiedergewählt wurden auch alle Verwaltungsrichter. Es handelt sich um Jürg Peter Spring, Dr. iur., Rechtsanwalt, als Präsident, sowie um Richard Weber, Rechtsanwalt, Michael Alde, Rechtsanwalt, Rolf Bartholdi, Danilo Clematide, Marc Stähli, Dr. iur., Rechtsanwalt, und Rita Wenger-Lenherr, Rechtsanwältin. Bestätigt wurden ferner alle Ersatzmitglieder des Ober- und des Verwaltungsgerichts. Das Zwangsmassnahmengericht besteht weiterhin aus Rolf Dünki, Rechtsanwalt, als Präsident, Niels Möller, Rechtsanwalt, und Kurt Schwander, Rechtsanwalt.
Im Zusammenhang mit der Einführung von Familiengerichten zur Umsetzung des neuen Kinder- und Erwachsenenschutzrechtes haben die Wahlberechtigten im Kanton Aargau am 17. Juni neue Bezirksgerichtspräsidenten gewählt: Andreas Schöb (CVP), Rechtsanwalt, im Bezirk Aarau; Patrick Jegge (CVP), Rechtsanwalt, und Christine Petrascheck (parteilos), Rechtsanwältin, im Bezirk Baden; Gabriele Kerkhoven (GLP), Rechtsanwältin, im Bezirk Brugg, Michael Plattner (parteilos), Rechtsanwalt, im Bezirk Muri. Bereits früher mangels Gegenkandidaten in stiller Wahl gewählt wurden: Raimond Corboz (parteilos), Rechtsanwalt, im Bezirk Bremgarten, Yvonne Thöny Fäs (FDP), Rechtsanwältin, im Bezirk Kulm, Eveline Guggenbühl Höfert (SP), Rechtsanwältin, im Bezirk Laufenburg, Beatrice Klotz (FDP), Rechtsanwältin, im Bezirk Lenzburg, Daniel Gasser Reding (SP), Rechtsanwalt, im Bezirk Rheinfelden, Ferdinand Andermatt (CVP), Rechtsanwalt, im Bezirk Zofingen und Isabelle Stieger (CVP), Rechtsanwältin, im Bezirk Zurzach.
Der Solothurner Kantonsrat hat am 13. Juni im zweiten Wahlgang als Nachfolgerin des zurückgetretenen Oberrichters Peter Pfister Karin Scherrer Reber, Dr. iur., Rechtsanwältin, gewählt. Sie wird künftig am Obergericht mit einem 70-Prozent-Pensum arbeiten. Pfister trat aus gesundheitlichen Gründen per Ende Juli 2012 vorzeitig zurück. Scherrer Reber ist seit 2002 als Gerichtsschreiberin an der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts in Lausanne tätig, daneben ist sie Ersatzrichterin am Solothurner Obergericht und Ersatzrichterin beim Verwaltungsgericht.
Im Kanton Graubünden sind alle Bezirksrichter neu gewählt worden - einige mangels Gegenkandidaten in stiller Wahl, andere am 17. Juni an der Urne. Die Gerichte sind ab dem 1. Januar 2013 folgendermassen zusammengesetzt:
Im Bezirk Albula ist Hermann Laim Gerichtspräsident, die weiteren Mitglieder sind: Margaritha Poltera, Katharina Ulber, Toni Sonder, Pauli Dosch, Reto Barblan, Rino Bergamin, Patrick Thurner, Renato Lenz.
Im Bezirk Bernina ist Hansjörg Bannwart Gerichtspräsident, die weiteren Mitglieder sind: Tomaso Capelli, Giovanni Crameri, Marisa Del Tenno, Tiziano Giuliani, Brigida Gurini-Rossi, Lidia Merlo-Triacca, Monica Paganini-Zanetti, Orlando Rada.
Im Bezirk Hinterrhein ist Andreas Bott Gerichtspräsident, Regula Strässler Vizepräsidentin, die weiteren Mitglieder sind: Roland Kunfermann, Urs Chiara, Lisa Lanicca, Peter Baumann, Johann Egger, Christina Battaglia, Arno Lombardini, Markus Meuli.
Im Bezirk Imboden ist Werner Farrér Gerichtspräsident, Irmgard Camenisch Vizepräsidentin, die weiteren Mitglieder sind: Annaregula Lutz, Arno Theus, Marco Pinchera, Ursin Fetz, Rosmarie Grünenfelder, Alfred Casty, Bruno Maranta, Fadri Brunold.
Im Bezirk Inn ist Orlando Zegg Gerichtspräsident, die weiteren Mitglieder sind: Not Carl, Ursina Cuorad-Steiner, Claudia Duschletta, Marco Fallet, Corsina Feuerstein Betschart, Ursula Pedotti, Albin Prevost, Jon Armon Strimer.
Im Bezirk Landquart ist Stefan Lechmann Gerichtspräsident, Vizepräsidentin ist Yvonne Vogel, die weiteren Mitglieder sind: Bettina Weber Müller, Lydia Schneider, Urs Niederer, Hans Peter Risch, Peter Bär, Jonas Alig, Thomas Keller, Rolf Bless.
Im Bezirk Maloja ist Franz Degiacomi Gerichtspräsident, Vizepräsidentin ist Franziska Zehnder Fasciati, weitere Mitglieder sind Gemma Clalüna, Liglio Giovannini, Andrea Gutgsell, Andrea Morell, Urs Niederegger, Franziska Preisig, Lis Roner-Rölli, Antonio Walther.
Im Bezirk Moesa ist Stefan Delcò Gerichtspräsident, die weiteren Mitglieder sind: Paola Müller-Storni, Piera Furger, Lara Giacomelli, Livia Furger-Cereghetti, Reto Degiacomi, Paolo Menghetti, Emilio Giudicetti, Massimo Scalmazzi.
Im Bezirk Plessur ist Urs Raschein Gerichtspräsident, Vizepräsident ist Emil Anton Räber, die weiteren Mitglieder sind Peter Guyan, Regula Tomaschett-Murer, Beni Peder, Clelia Meyer Persili, Markus Haltiner, Anna Ratti, Bettina Gadient Stecher, Paul Schwendener, Hermi Saluz.
Im Bezirk Prättigau/Davos ist Christian Mattli Gerichtspräsident, Patrizia Winkler-Rentsch ist Vizepräsidentin, die weiteren Mitglieder sind: Rosmarie Donau-Gujan, Ursina Ghiggia-Barblan, Anita Kasper-Niggli, Reto Keller, Hansjörg Ladner, Annamarie Mathis-Möhr, Hansueli Roth, Andreas Valer.
Im Bezirk Surselva ist Marcus Peng Gerichtspräsident, Fidel Pally ist Vizepräsident, weitere Mitglieder sind: Marcus Beer, Regula Nay-Brändli, Claudio Pfister, Moritz Schmid, Marcel Soliva, Hans Peter Bandli, Rudolf Caduff, Leo Cathomas.
Aufgestiegen
Barbara Graham-Siegenthaler, Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Privatdozentin für Schweizerisches und Internationales Privatrecht, Privatrechtsvergleichung sowie Zivilprozess-, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, ist von der erweiterten Universitätsleitung der Universität Zürich zur Titularprofessorin befördert worden.
Umgestiegen:
Vanessa Benz-Carl, Bäckerin
Als Vanessa Benz-Carl im Januar 2010 bei ihrer Mutter ein Backbuch mit amerikanischen Kuchenrezepten in die Hände bekam, war ihr sofort klar, dass sie wie die Autorin dieses Buches ein Kaffeehaus führen will. Es folgte ein Jahr mit Internetrecherchen, Stöbern in englischen Country-Magazinen und Innenarchitektur-Zeitschriften, Besichtigungen von Lokalen am Zürichsee, Probebacken - ein Wechselbad von Tatendrang und Zweifeln. Dann, im März 2011, nach dem Besuch eines Unternehmerseminars, war sie sicher: «Mit Jus habe ich zwar etwas Rechtes studiert, aber jetzt mach ich was Kreatives.» Als Juristin war sie seit 1999 im Finanzbereich tätig gewesen - als Head Compliance des Tradingbereichs einer Bank und als Produkt-Strukturiererin von Hedgefonds des damals grössten Anbieters der Welt. «Dabei interessieren mich Zahlen gar nicht!» Ab 2006 regelte sie alles Juristische der neuen Finanzgesellschaft ihres Mannes.
Im August 2011 fand Vanessa Benz-Carl das Lokal mit dem lauschigen Garten im Hinterhof an der Seestrasse 55 in Küsnacht (ZH). Es sei eine Höhle gewesen, erinnert sie sich. Anders heute: «Alles, was Sie hier drin sehen, bin ich!» Am 31. März 2012 hat das schmucke Lokal in französischem und englischem Stil eröffnet. Vanessa Benz-Carl steht in der Backstube und im Service, führt vier Angestellte und alle Geschäfte und entwickelt die Unternehmensstrategie weiter - sechs lange Arbeitstage pro Woche. Das ist wie damals im Hedgefonds-Geschäft: grosse Verantwortung und hoher Arbeitseinsatz. Doch die Welt von damals sei nicht mehr ihre Welt, auch wenn sie die Zeit als Juristin nicht im Geringsten bereue, sagt die 38-Jährige. «Beruflich ist die Bakery ein Umstieg, persönlich ein Aufstieg.» Sie könne es nur empfehlen, sich von der Vorstellung zu lösen, Juristen müssten auf einer Bank oder Kanzlei arbeiten. «Als Unternehmerin braucht man die Juristerei eh jeden Tag.» rmb
Bedroht: Vidulfo Rosales Sierra, Rechtsanwalt
Am 4. Mai hat der Anwalt Vidulfo Rosales Sierra, Koordinator für Rechtsfragen im «Menschenrechts-zentrum Tlachinollan», im mexikanischen Bundesstaat Guerrero, eine Morddrohung erhalten. Darin wird auf verschiedene Fälle Bezug genommen, die er bearbeitet. Speziell genannt wird seine Arbeit zu Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei und Angehörige des Militärs. Die Morddrohung besagt unter anderem: «... halt den Mund oder wir schicken dich in kleinen Stücken nach Hause.... hör auf, die Behörden zu verunglimpfen, du stehst schon wegen mehrerer Sachen in unserer Schuld, du mischt dich überall ein... du wirst sterben, hahaha.» Aus Angst um sein Leben hat der Anwalt kurzfristig das Land verlassen. Das Menschenrechtszentrum Tlachinollan erstattete eine Anzeige gegen unbekannt.
Vidulfo Rosales Sierra und seine Kollegen hatten sich am Tag vor der Drohung mit dem Strafverfahren gegen die mutmasslichen Mörder von zwei Studenten befasst, die im Januar 2012 während einer Demonstration von Polizisten umgebracht worden waren. Die Anwälte besuchten verschiedene Behördenvertreter und die Pädagogische Hochschule «Raul Isidro Burgos», an welcher die Männer studiert hatten. In der Morddrohung wird unter anderem dieser Fall erwähnt. Während der Studentenproteste kam es zu Zusammenstössen zwischen der Polizei und Demonstranten. Die Anwälte des Menschenrechtszentrums bearbeiten nun Fälle von Studenten, die aufgrund der Demonstrationen verfolgt werden, und leitet Verfahren gegen Sicherheitskräfte ein wegen aussergerichtlichen Hinrichtungen, Folter und willkürlicher Festnahmen.
In Mexiko werden Menschenrechtsverteidiger häufig Opfer von Bedrohungen und Angriffen. Die Verantwortlichen werden selten zur Rechenschaft gezogen. Christine Heller, Amnesty International Schweiz
Aufgefallen
Peter V. Kunz, 47, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern und bei den Medien gefragter Interviewpartner, gibt seinen Kollegen Tipps für Medienauftritte. Unter dem Titel «Die sieben Prinzipien akademischer Medienauftritte» erläutert er in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift «Unipress» der Universität Bern sein persönliches Credo: «Nicht jede Juristin kann und soll sich zu jeder juristischen Fragestellung äussern», sondern nur wenn sie «für die konkrete Thematik über spezifisches Fachwissen verfügt.»
Er rät zudem zu einer simplen Sprache, die auch Nichtjuristen verstehen - was er persönlich jeweils daran messe, ob seine Eltern das Statement verstehen würden oder nicht. Es sei zudem wichtig, dass Experten prinzipiell für jedes Medium ansprechbar seien, weshalb er keine Unterscheidung mache, ob es sich bei einer Anfrage um den arabischen Sender «Al Jazeera», um die Schweizer TV-Nachrichtensendung «10 vor 10» oder um «Radio Energy» handle. Er sehe im Übrigen seine häufigen medialen Statements als «Service public eines unabhängigen Universitätsprofessors». Und in einem Seitenhieb an die Adresse anderer Rechtsprofessoren hält er fest: Seine Statements würden weder auf «finanziellen Überlegungen noch auf politischen Ambitionen basieren.» Es werde also nie einen «Nationalrat Kunz» geben.
Christine Petrascheck, 39, Gerichtsschreiberin am Bezirksgericht Bremgarten, hat die Wahl zur Gerichtspräsidentin im Nachbarbezirk geschafft, obwohl sie parteilos ist. Die Wählerinnen und Wähler des Bezirks Baden wählten am 17. Juni gleichzeitig einen CVP-Vertreter als Präsidenten, den SVP-Vertreter und die FDP-Vertreterin liess Petrascheck hingegen knapp hinter sich. Bei ihrer ersten Kandidatur vor zwei Jahren hatte sie zwar das absolute Mehr erreicht, schied aber als Überzählige aus.
Weshalb ging sie das Risiko ein, ohne Parteimitgliedschaft zu kandidieren? «Ich war mein Leben lang parteilos und wollte nicht in eine Partei eintreten, nur um Richterin zu werden.» Ohne Partei im Rücken hat sie sich das Wissen über Wahlkampagnen selbst angeeignet, die Kampagne selbst finanziert und sogar die Plakate eigenhändig aufgehängt: Zusammen mit ihrem Partner war sie ein Wochenende lang unterwegs, hat mit Leiter und Kabelbindern ihr Konterfei an Kandelabern an den wichtigsten Strassen des Bezirks befestigt. Petraschecks Wahl scheint einem Aargauer Trend zu folgen: Neben ihr gibt es drei weitere Bezirksrichter, die keiner Partei angehören.
Thomas Wüthrich, 51, Rechtsanwalt aus Luzern, ist schuld daran, dass eine Luzerner Eigenheit wohl bald abgeschafft wird. Bis anhin war es nämlich so, dass der Luzerner Regierungsrat Mitglieder von Kantonsratsparteien zu amtlichen Verteidigern mit einer Amtszeit von jeweils vier Jahren gewählt hat. In keinem anderen Schweizer Kanton werden amtliche Verteidiger so bestimmt. Anwälte, die keiner Partei angehörten, hatten keine Chance, amtliche Verteidiger zu werden.
So erging es auch Wüthrich, der ausser einer Parteimitgliedschaft alle Voraussetzungen eines Verteidigers erfüllte. Anfang 2011 suchte der Regierungsrat noch einen oder zwei Verteidiger - die gemäss Parteiproporz der SVP angehören sollten. Dennoch reichte Wüthrich seine Bewerbungsunterlagen ein und wurde prompt nicht gewählt. Der Anwalt wandte sich ans Verwaltungs- und schliesslich an das Bundesgericht, weil er sich als Parteiloser diskriminiert fühlte. Das Bundesgericht gab ihm recht: «Das Kriterium der Parteizugehörigkeit» sei für die Wahl zum amtlichen Verteidiger «sachfremd». Und weiter: «Die Benachteiligung parteiungebundener Anwälte ist diskriminierend.» Der Luzerner Regierungsrat werde die Wahl von amtlichen Verteidigern deshalb in Zukunft «bundesrechtskonform handhaben müssen».
Das Zitat
«Das Gefängnis gehört zum Berufsrisiko eines Diebes.»
Samuel Schmid, Einzelrichter am Regionalgericht Emmental zu einem Kupferdieb, 28. Juni 2012