Die Kanzlei Advovox von Rechtsanwalt Sven Krüger sei «eine junge, dynamische Kanzlei in Zürich City West». So stehts auf der Website. Als Büroadresse ist die Badenerstrasse 549 angegeben. Geht man dort vorbei, ist weder eine Kanzlei noch ein Briefkasten zu finden. «Jung» und «dynamisch» wirken höchstens die beiden Personen am Empfang der Regus Holding GmbH. Das Unternehmen vermietet laut Homepage «virtuelle Büros». Gegen Entgelt erhält man eine Geschäftsadresse, ohne Büroräume gemietet zu haben.
Am Empfang lautet die Auskunft: «Herr Krüger ist selten hier.» Falls er Post erhalte, «sammeln wir diese und geben sie ihm, sobald er vorbeikommt». Wann war er denn das letzte Mal hier? Achselzucken.
Wenige Wochen zuvor lautete die Antwort der Regus-Empfangsdame gegenüber der Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» noch: «Sven Krüger ist nie da.»
Der deutsche Rechtsanwalt will auf Anfrage von einem virtuellen Büro in Zürich nichts wissen: «Selbstverständlich habe ich ein Büro, einen Briefkasten und ein Postfach.» Er sei sowohl in Zürich als auch in Berlin als Anwalt zugelassen und betreibe in beiden Städten eine Kanzlei, in der er auch regelmässig anwesend sei.
Der Anwalt muss erreichbar sein
Nun interessiert sich das Zürcher Obergericht, die Aufsichtsbehörde der Zürcher Anwälte, für Sven Krüger. Denn Anwälte, die im Anwaltsregister eingetragen sind, müssen an der angegebenen Geschäftsadresse tätig und «innert vernünftiger Frist erreichbar» sein. Lukas Huber, Stellvertreter des Generalsekretärs am Obergericht: «Die Aufsichtskommission prüft bei der Eintragung eines Anwalts konkret, ob eine Geschäftsadresse vorhanden ist.» Blosse c/o-Adressen oder Postfachadressen würden nicht anerkannt. Ob an einer Geschäftsadresse aber auch tatsächlich gearbeitet werde, könne letztlich nicht geprüft werden. Bemerkt die Aufsichtsbehörde erst später, dass ein Anwalt an der Geschäftsadresse nicht oder nur schwer erreichbar ist, geht sie laut Huber der Sache nach.
Das gleiche Bild ergibt eine Umfrage von plädoyer bei den Aufsichtsbehörden mehrerer anderer Kantone. Weder in Bern noch in Basel genügen Postfachadressen und virtuelle Anwaltsbüros, um ins Anwaltsregister eingetragen zu werden. Eine Ausnahme bildet der Kanton Thurgau: Hier prüft laut Obergerichtsschreiberin Olivia Trepp die Anwaltskommission bei der Eintragung nicht, ob eine Geschäftsadresse vorhanden sei: «Auch c/o-Adressen oder Postfach-Adressen werden anerkannt.»
Ob die Aufsichtskommission im Fall Krüger ein Disziplinarverfahren durchführt, ist nicht bekannt. Es gibt jedoch einen Hinweis, dass sich Krüger nach Kanzleiräumlichkeiten umsieht: Gegenüber plädoyer verwies er zuletzt auf eine neue Geschäftsadresse. Er arbeite mit Paul-Lukas Good in einer Bürogemeinschaft an der Zürcher Langstrasse zusammen.
Beim Besuch dieser Kanzlei steigt der Duft von frischer Farbe in die Nase. «Ich bin im März hier eingezogen», sagt Good. Er kenne Sven Krüger und dieser habe bei ihm auch Büroräume. Beim Eingang sucht man vergebens nach einer solchen Anschrift. Klingel und Briefkasten weisen einzig auf Good hin. «Das wird sich in Zukunft ändern», sagt Good.