Per 1. Januar 2024 erfuhr Artikel 135 StPO über die Festlegung der Entschädigung und die Bevorschussung der amtlichen Verteidigung (Absatz 2), das Rechtsmittel gegen den Honorarfestsetzungsentscheid (Absatz 3) sowie die Rückerstattungspflicht der amtlich verteidigten Person (Absatz 4) Änderungen.1
Vorliegend wird die Änderung des Rechtsmittels näher betrachtet. Neu müssen amtliche Verteidiger die durch das erstinstanzliche Gericht festgelegte Entschädigung mit Berufung statt wie bisher Beschwerde anfechten. Auf Honorarfestlegungen durch die Staatsanwaltschaft hat die Änderung hingegen keine Auswirkung.
1. Neu Berufung statt Beschwerde
1.1 Altrechtliches Konzept
Die bis 31. Dezember 2023 geltende Version von Artikel 135 Absatz 1 bis 3 StPO lautete wie folgt: «Die amtliche Verteidigung wird nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde (Absatz 1). Die Staatsanwaltschaft oder das urteilende Gericht legt die Entschädigung am Ende des Verfahrens fest (Absatz 2). Gegen den Entscheid kann die amtliche Verteidigung Beschwerde führen: a) wenn der Entscheid von der Staatsanwaltschaft oder dem erstinstanzlichen Gericht gefällt wurde: bei der Beschwerdeinstanz; b) wenn der Entscheid von der Beschwerdeinstanz oder dem Berufungsgericht des Kantons gefällt wurde: beim Bundesstrafgericht (Absatz 3).»
Absatz 3 sah für den amtlichen Verteidiger, der die Kürzung seines Honoraranspruchs durch Staatsanwaltschaft oder Gericht anfechten und somit ein höheres Honorar festgesetzt haben wollte, immer ein Beschwerdeverfahren vor. Für die Anfechtung des durch ein kantonales Berufungsgericht festgelegten Honorars vor dem Bundesstrafgericht sah Artikel 37 Absatz 1 StBOG die Zuständigkeit der Beschwerdekammer vor. Mangels Rechtsschutzinteresses der amtlich verteidigten (beschuldigten) Person trat der amtliche Verteidiger in eigenem Namen als Beschwerdeführer auf.2
Artikel 135 Absatz 3 StPO wurde dabei als Lex specialis zu den allgemeinen Bestimmungen über das Beschwerderecht gemäss Artikel 393 ff. StPO angesehen.3 Dies ergibt aufgrund der öffentlichrechtlichen Natur des Mandatsverhältnisses zwischen der Behörde und dem amtlichen Verteidiger durchaus Sinn.
Bei altrechtlichen Kostenbeschwerden waren die Rollenverteilung und der Ablauf demnach klar: Der amtliche Verteidiger, welcher sich in seinem Honoraranspruch durch das Gericht zu Unrecht beschnitten sah, prozessierte im eigenen Namen sowie auf eigenes Risiko (Kostenpflicht bei Unterliegen) gegen die Behörde, ohne Involvierung der amtlich verteidigten Klientschaft. Auf dieses Einparteiverfahren war das Rechtsmittel der Beschwerde passend zugeschnitten.
1.2 Altrechtliche Anwendung
Sofern gegen ein erstinstanzliches Urteil sowohl eine Berufung (im Namen der amtlich verteidigten Person) in der Hauptsache als auch eine Kostenbeschwerde (im Namen der amtlichen Verteidigung) gegen den gerichtlichen Honorarfestsetzungsentscheid kombiniert wurden, führte dies aufgrund der unterschiedlichen Rechtsmittelfristen und Zuständigkeiten in der Praxis zu folgender Vorgehensweise: Die amtliche Verteidigung hatte innert 10 Tagen ihre Kostenbeschwerde bei der Beschwerdeinstanz einzureichen (früherer Artikel 135 Absatz 3 StPO in Verbindung mit Artikel 396 Absatz 1 StPO). Letztere sistierte das Verfahren nach Eingang der Beschwerde und fragte die zuständige Berufungsinstanz an, ob in der Hauptsache innert der 20-tägigen Frist (Artikel 399 Absatz 3 StPO) Berufung erhoben worden sei.
Häufig kündigten die amtlichen Verteidiger die Absicht, Berufung zu erklären, in ihrer Kostenbeschwerde bereits an. Sofern dann in der Hauptsache Berufung erklärt wurde, wurde die Kostenbeschwerde zuständigkeitshalber an die Berufungsinstanz übermittelt. In der Regel wurde diese Kostenbeschwerde von der Berufungsinstanz an das betreffende Berufungsverfahren angehängt, wobei die Kostenbeschwerde jedoch separat beziehungsweise isoliert, das heisst ohne Involvierung der amtlich verteidigten Person, allenfalls aber nach Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Staatsanwaltschaft, behandelt und über sie in demselben Entscheid in einer separaten Urteilsdispositivziffer entschieden wurde.
1.3 Konzept der neuen Kostenberufung
Neu sieht Artikel 135 Absatz 3 StPO gegen erstinstanzliche Honorarfestsetzungsentscheide auch für die amtliche Verteidigung das Rechtsmittel der Berufung, das heisst die «Kostenberufung», vor (Gesetzestext: «Gegen den Entschädigungsentscheid kann die amtliche Verteidigung das Rechtsmittel ergreifen, das gegen den Endentscheid zulässig ist»). Damit beabsichtigte der Gesetzgeber, zwei Probleme zu lösen: Einerseits solle die im alten Artikel 135 Absatz 3 litera a StPO enthaltene «unbefriedigende Regelung» des uneinheitlichen Rechtsmittelwegs für amtliche Verteidigung und Staatsanwaltschaft beseitigt werden.
Andererseits erweise sich die in litera b vorgesehene Zuständigkeit der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts ausserhalb der Kompetenz-/Rechtshilfekonflikte für kantonalrechtliche Verfahren als atypisch und führe aufgrund von deren Zwischenschaltung vor der letzten Instanz zu einem unangemessen langen Instanzenzug.4
Die amtliche Verteidigung profitiert somit neu von einer von 10 auf 20 Tage verlängerten Rechtsmittelfrist und der Zuständigkeit einer einzigen Instanz sowohl für das Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil in materieller Hinsicht wie auch für dasjenige gegen die Kürzung ihres Honorars. Was vor dem Hintergrund der Problemlösungsabsicht auf den ersten Blick wie die ideale Lösung aussehen mag, stellt die Praxis – wie nachfolgend aufgezeigt wird – jedoch vor ganz neue Probleme.
2. Anwendung der neuen Regel
2.1 Berufungsberechtigte
Nach Eingang der neurechtlichen Kostenberufung nimmt die Verfahrensleitung des zuständigen Berufungsgerichts nach allfälliger Bekanntgabe des Spruchkörpers ihre erste automatisierte Verfahrenshandlung vor, nämlich die «unverzügliche Übermittlung der Berufungserklärung an die anderen Parteien» gemäss Artikel 400 Absatz 2 StPO mit Fristansetzung (20 Tage) zur begründeten Erklärung des Nichteintretens (litera a) beziehungsweise zur Erklärung der Anschlussberufung (litera b). Spätestens hier zeigt sich, dass das Rechtsmittel der Berufung konzeptionell grundsätzlich immer auf mehrere Parteien ausgelegt ist – im Gegensatz zur Beschwerde, die je nach Konstellation ein Einparteiverfahren oder ein Mehrparteienverfahren sein kann.
Insbesondere, wenn einzig die Honorarfestsetzung, nicht aber das Urteil in materieller Hinsicht angefochten ist, stellt sich dem Verfahrensleiter unweigerlich die Frage, an wen die Erklärung der Kostenberufung zu übermitteln ist. Anders ausgedrückt fragt sich, wer einem amtlichen Verteidiger, der die Kürzung seines Honorars im eigenen Namen anficht, im neuen Kostenberufungsverfahren als Gegenpartei gegenübersteht und zur Beantragung des Nichteintretens und zur Erklärung der Anschlussberufung berechtigt ist. Den Materialien ist diesbezüglich nichts zu entnehmen. In Frage kämen naturgemäss einzig die Staatsanwaltschaft und/oder die amtlich verteidigte Person.
2.2 Umstrittene Legitimation der Staatsanwaltschaft
Nach Auffassung des Bundesgerichts war die Staatsanwaltschaft im altrechtlichen Konzept bezüglich des gerichtlichen Entscheids betreffend Festsetzung des Honorars der amtlichen Verteidigung sowohl vor Bundesgericht als auch im kantonalen Instanzenzug rechtsmittellegitimiert.5 An dieser bundesgerichtlichen Praxis, obschon diese nicht unumstritten ist, dürfte auch das neue Konzept der Kostenberufung nichts ändern. So wird in der Lehre mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass der Staatsanwaltschaft keine Legitimation zukomme, eine ihres Erachtens als zu hoch empfundene Entschädigung der amtlichen Verteidigung anzufechten.
Dies aufgrund der öffentlich-rechtlichen Natur des Mandats und insbesondere, weil Letzteres weder formelles noch materielles Strafrecht betreffe sowie auch in Analogie zur im Zivilpunkt nicht existenten Rechtsmittellegitimation der Staatsanwaltschaft.6 In den meisten Fällen dürfte dies jedoch ohnehin keine Rolle spielen, da Gerichte die Honorarforderung der amtlichen Verteidigung eher kürzen als zu grosszügig festlegen, womit ein praktisches Interesse der Staatsanwaltschaft kaum je vorhanden sein dürfte.
2.3 Interessenkonflikte der amtlichen Verteidigung
Ein sachlogisch berechtigtes Interesse an einer Aufrechterhaltung oder noch weitergehenden Reduktion des gerichtlich festgesetzten, ohnehin schon gekürzten Honorars der amtlichen Verteidigung wird jedoch regelmässig die amtlich verteidigte Person haben, wenn sie mit einer Verurteilung und entsprechend einer Verpflichtung zur Kostenrückerstattung im Sinne von Artikel 135 Absatz 4 StPO rechnen muss.7
Insofern erweist sich die amtlich verteidigte Person objektiv betrachtet als anschlussberufungsberechtigt, was sie in diesem Konzept des Mehrparteienverfahrens zur potenziellen Gegenpartei der amtlichen Verteidigung werden lässt.
Nebenbei sei erwähnt, dass die amtlich verteidigte Person – da nicht Teil des öffentlich-rechtlichen Mandatsverhältnisses und mangels unmittelbarer persönlicher und rechtlicher Betroffenheit – keine Legitimation zur Anfechtung einer von der amtlichen Verteidigung als zu niedrig empfundene Entschädigung hat.
Angesichts dieser Ausgangslage stellt sich die Frage, mit wie viel Engagement und Enthusiasmus amtliche Verteidiger in Strafverfahren künftig für die Interessen ihrer Mandanten einstehen werden – im Bewusstsein darum, ihnen möglicherweise in einem späteren Kostenberufungsverfahren (wenn nur die Festsetzung des Honorars angefochten ist) als Gegenpartei gegenüberzustehen. Noch problematischer erweist sich die Konstellation, wenn das erstinstanzliche Urteil sowohl in materieller Hinsicht (bei Verurteilung der amtlich verteidigten Person) als auch die Festsetzung des Honorars der amtlichen Verteidigung je mit Berufung angefochten wird.
Es ist davon auszugehen, dass einige amtlich verteidigte Beschuldigte – sofern vom Gericht explizit dazu aufgefordert – angesichts der im Verurteilungsfall drohenden Kostenrückerstattungspflicht (Artikel 135 Absatz 4 StPO) vor allem bei grösseren Honorarbeträgen von ihrem Recht Gebrauch machen und anschlussberufungsweise eine noch weitergehende Reduktion des Honorars ihres amtlichen Verteidigers beantragen werden. Ein derartiger Einbezug der amtlich verteidigten Person ins Verfahren führt somit unweigerlich zu einem höchst problematischen Interessenkonflikt.
Den entsprechenden Interessenkonflikt stellte das Bundesgericht in BGE 139 IV 199, Erwägung 2, fest: «Die Beschwerdeführerin weist zutreffend darauf hin, dass die Interessen des amtlichen Verteidigers bei der Festsetzung des Honorars denjenigen des Verurteilten widersprechen. Der Verurteilte, der die Verteidigerentschädigung bei günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen zurückzahlen muss, ist an einer tiefen Entschädigung interessiert, während der Verteidiger einen hohen Betrag will.»
Besteht überhaupt eine Möglichkeit, diesen Interessenkonflikt praktisch zu lösen? Müsste die Verfahrensleitung in diesem Fall die amtliche Verteidigung für das Berufungsverfahren grundsätzlich von Amtes wegen ersetzen? Wäre ein Wechsel der amtlichen Verteidigung – beispielsweise in einem über Jahre andauernden, komplexen Wirtschaftsstrafverfahren mit allfälligen Rechtshilfeverfahren, die regelmässig mehrere Hundert oder gar Tausend Stunden Verteidigeraufwand generieren – im Stadium der Berufung sinnvoll, verhältnismässig und effizient? Auf solche Fragen finden sich in der Botschaft und den übrigen Materialien keine Antworten. Ersichtlich ist einzig, dass die beiden Räte dem Vorschlag des Bundesrats diskussionslos folgten.8
2.4 Wirkung auf Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils
Überdies drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf, in welchem Umfang eine eigenständige, ausschliesslich eingereichte Kostenberufung die Rechtskraft der übrigen Ziffern des erstinstanzlichen Urteilsdispositivs temporär (für den Fristenlauf für die Anschlussberufung) zu hemmen vermag. Mit anderen Worten stellt sich die Frage, ob eine eigenständige Kostenberufung, die lediglich die Entschädigung der amtlichen Verteidigung betrifft, den übrigen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit der Anschlussberufung bezüglich sämtlicher nicht angefochtener Ziffern des Urteilsdispositivs eröffnet.
Diesbezüglich ist das Gesetz eigentlich klar. Wer darauf verzichtet, selbst Berufung zu erheben, verzichtet damit nicht automatisch darauf, Anschlussberufung zu erheben (vergleiche Artikel 400 Absatz 2 litera b StPO). Es kommt in der Praxis nicht selten vor, dass eine Partei zwar nicht mit allen Punkten des Urteils einverstanden ist, sich jedoch im Interesse eines raschen Verfahrensabschlusses gegen ein selbständiges Erheben der Berufung entscheidet. Sofern eine andere Partei Berufung erhebt, darf sie sich aber anders entscheiden und ihre Kritik am erstinstanzlichen Urteil anschlussberufungsweise einbringen – im Bewusstsein um den akzessorischen Charakter der Anschlussberufung.9
Gemäss Artikel 402 StPO hat die Berufung grundsätzlich im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung. Nach Artikel 401 Absatz 2 StPO ist die Anschlussberufung nicht auf den Umfang der Hauptberufung beschränkt – ausser diese beziehe sich ausschliesslich auf den Zivilpunkt. Somit wird die Beschwer zur Anschlussberufung durch das erstinstanzliche Urteil und nicht durch die Berufungserklärung definiert.
Nach dem Gesetzeswortlaut öffnet somit grundsätzlich jede Berufungserklärung – ausser, wenn sie sich ausschliesslich auf den Zivilpunkt bezieht – das Feld für eine Anschlussberufung der übrigen Parteien – und zwar bezüglich sämtlicher unangefochtener Ziffern des Urteilsdispositivs im Rahmen ihrer gemäss erstinstanzlichem Urteil massgeblichen Beschwer.
Sofern der Gesetzgeber die eigenständige Kostenberufung von dieser umfassenden Wirkung im Sinne einer temporären Hemmung der Rechtskraft hätte ausklammern wollen und somit die Anschlussberufung nur bezüglich der Festsetzung des Honorars der amtlichen Verteidigung hätte erlauben wollen, so hätte er diese Ausnahme in Artikel 401 Absatz 2 StPO systematisch analog dem Zivilpunkt explizit definieren müssen, was jedoch bisher nicht geschehen ist.
Soweit man in diesem Sinne davon ausgeht, dass die neurechtliche Kostenberufung die Rechtskraft sämtlicher Ziffern des erstinstanzlichen Urteilsdispositivs temporär hemmt, wird für die amtliche Verteidigung und die amtlich verteidigte Klientschaft im Vergleich zum altrechtlichen Konzept der Kostenbeschwerde wiederum eine nicht unwesentliche problematische Benachteiligung ersichtlich.
Ein amtlicher Verteidiger, der sich in seinem Honoraranspruch unrechtmässig beschnitten sieht, wird sich – angesichts der Befürchtung, seine erstinstanzlich freigesprochene Klientschaft potenziell dem Risiko einer Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft im Schuldpunkt auszusetzen – die Einreichung einer eigenständigen Kostenberufung gut überlegen müssen. Auch hier ist ein klassischer Interessenkonflikt klar erkennbar.
Noch gravierender zeigt sich die Problematik in folgender Konstellation: Man denke an einen Beschuldigten in Untersuchungshaft, der im abgekürzten Verfahren einen Urteilsvorschlag (beispielsweise mit Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe) akzeptiert, um sofort aus der Haft entlassen zu werden.
Würde seine amtliche Verteidigung umgehend eine eigenständige Kostenberufung erheben, so würde dadurch – unter der erwähnten Annahme – während der 20-tägigen Anschlussberufungsfrist nicht nur die Rechtskraft der übrigen Urteilsdispositivziffern, sondern damit einhergehend auch die Entlassung seines Klienten aus der Untersuchungshaft verhindert. Dieser Logik folgend würde sich das neurechtliche Konzept der Kostenberufung als besonders stossend erweisen.
Es darf ernsthaft bezweifelt werden, dass die Schaffung derartiger Interessenkonflikte im Sinne des Gesetzgebers war. Wie bereits erwähnt, war auch diese Problematik offensichtlich nicht Gegenstand der parlamentarischen Debatte.
2.5 Abschaffung des doppelten Instanzenzugs
Wie schon erwähnt, war für altrechtliche Kostenbeschwerden gegen zweitinstanzliche Honorarfestsetzungsentscheide für die amtliche Verteidigung gemäss altem Artikel 135 Absatz 3 litera b StPO die Zuständigkeit der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und gegen deren Entscheid schliesslich die Beschwerde ans Bundesgericht vorgesehen. Diese Zuständigkeit der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts wurde vom Gesetzgeber im Rahmen der letzten StPO-Revision zum einen als «atypisch» angesehen. Andererseits habe diese Zuständigkeitsordnung aufgrund der entsprechenden «Zwischenschaltung vor der letzten Instanz» zu einem «unangemessen langen Instanzenzug» geführt.10
Der Gesetzgeber hat dabei offenbar übersehen, dass die besagte altrechtliche Zwischenschaltung der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts lediglich für Beschwerden gegen zweitinstanz-
liche Honorarfestsetzungsentscheide für die amtliche Verteidigung vorgesehen war – nicht jedoch, wenn es um die Anfechtung eines erstinstanzlichen Honorarfestsetzungsentscheids ging. In keiner Konstellation waren drei Rechtsmittelinstanzen vorgesehen, sondern immer nur zwei.
Sinn dieser Zwischenschaltung der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts war ja gerade, dem amtlichen Verteidiger für die Anfechtung seines von einer Berufungsinstanz festgesetzten Honorars einen doppelten Instanzenzug zu ermöglichen – wohlwissend, dass das Anfechtungsobjekt (gerichtlicher Honorarfestsetzungsentscheid) erst in zweiter Instanz «entsteht», vor Bundesgericht jedoch nur noch die Willkürrüge möglich war. Entsprechend erwies sich auch nach altem Recht eine ordentliche Überprüfung des zweitinstanzlichen Honorarfestsetzungsentscheids als sachlich geboten.
Dass gemäss neurechtlichem Rechtsmittelkonzept für die Anfechtung eines zweitinstanzlichen Honorarfestsetzungsentscheids keine ordentliche Überprüfung, sondern nur noch die Willkürrüge ans Bundesgericht offensteht, erweist sich als erhebliche Benachteiligung der amtlichen Verteidigung und ist aus rechtsstaatlicher und verfassungsrechtlicher Sicht höchst problematisch.
3. Fazit und Lösungsvorschläge
Insgesamt wird ersichtlich, dass die Abschaffung der altrechtlichen Kostenbeschwerde beziehungsweise deren Gleichsetzung mit dem Rechtsmittel im Hauptsachenentscheid in Artikel 135 Absatz 3 StPO in der prozessrechtlich praktischen Handhabung grosse Veränderungen mit sich bringt, jedoch keine wirklichen Vorteile, sondern vor allem Nachteile und Probleme.
Zum einen führt die neurechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels für die amtliche Verteidigung gegen einen erstinstanzlichen Honorarfestsetzungsentscheid als Berufung und damit zwingend als Mehrparteienverfahren zu Fragen bezüglich der Legitimation zur Anschlussberufung und je nach Konstellation zu heiklen Interessenkonflikten zwischen der amtlichen Verteidigung und der amtlich verteidigten Person.
Zum anderen führt die Abschaffung des doppelten Instanzenzugs betreffend Anfechtung von zweitinstanzlichen Honorarfestsetzungsentscheiden und damit deren Reduktion auf die Willkürrüge vor Bundesgericht zu rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Problemen.
Was prima vista am Schreibtisch eines Bundesbeamten als elegante Problemlösung dahergekommen sein mag, resultiert in der Praxis auf mehreren Ebenen in einer systematischen Benachteiligung der amtlichen Verteidigung und folglich einer inakzeptablen Schwächung der Rechte der amtlich verteidigten Beschuldigten. Die angeblichen Probleme der Uneinheitlichkeit der Rechtsmittel gegen gerichtliche Kostenfestsetzungsentscheide sowie des «atypischen, unangemessen langen Instanzenzugs» ab der zweitinstanzlichen Ebene, welche der Gesetzgeber mit der Neukonzipierung des Rechtsmittels so elegant zu lösen glaubte, waren in Wirklichkeit keine relevanten Probleme.
Dass sich der Gesetzgeber der komplexen Problematik bewusst war, darf bezweifelt werden – insbesondere angesichts der Tatsache, dass diesbezüglich keine parlamentarische Debatte stattfand und beide Räte dem Vorschlag des Bundesrats kommentarlos folgten.11 Dies ist umso erstaunlicher angesichts der Tatsache, dass einige Parlamentarier, die sich in die StPO-Revisionsdebatte zu den übrigen Aspekten dieser Thematik einbrachten, in der Strafverteidigung tätig sind und auch Mandate der amtlichen Verteidigung wahrnehmen.
Es ist davon auszugehen, dass die Berufungsgerichte versuchen werden, diese prozessrechtlichen Herausforderungen vorerst auf pragmatische Weise zu lösen. So wäre bei eigenständig erhobenen Kostenberufungen etwa an ein «Kostenberufungsverfahren ohne Gegenpartei» zu denken, das heisst an einen Verzicht des Berufungsgerichts, die Kostenberufungserklärung sowohl an die Staatsanwaltschaft als auch an die amtlich verteidigte Person persönlich zu übermitteln. Das käme einer Handhabung der Kostenberufung als Einparteiverfahren gleich, was jedoch nicht der offiziellen Ratio legis entspricht und aus rechtsstaatlichen Gründen wohl problematisch wäre.
Eine andere Variante wäre der blosse Einbezug der Staatsanwaltschaft als Vertreterin des Staats. Damit würde jedoch die einzige Partei mit einem echten potenziellen Anschlussberufungsinteresse – nämlich die amtlich verteidigte, potenziell rückzahlungspflichtige Person – aussen vor gelassen. Eine durchaus vorstellbare unaufgeforderte Erhebung der Anschlussberufung durch eine amtlich verteidigte Person könnte den Pragmatikern unter den Verfahrensleitern hier wohl einen kreativen Strich durch die Rechnung machen. Es bleibt mithin abzuwarten, wie die Berufungsgerichte mit dieser Herausforderung umgehen und welche Praxis sie diesbezüglich etablieren werden.
Der Problematik der temporären Hemmung der Rechtskraft der nicht angefochtenen Dispositivziffern des erstinstanzlichen Urteils und den damit einhergehenden Interessenkonflikten könnte der Gesetzgeber durch eine Ausnahmeregelung in Artikel 402 Absatz 1 StPO begegnen, wie sie bereits für den Zivilpunkt besteht.
Das Problem des nunmehr fehlenden doppelten Instanzenzuges könnte zwar allenfalls durch ein gesetzgeberisches Zwischenschalten einer Beschwerdeinstanz vor dem letztinstanzlichen Beschwerdeverfahren gelöst werden. Die wohl einfachste Lösung wäre aber wohl die Rückkehr zur altrechtlichen Regelung.
Es wäre jedenfalls wünschenswert, wenn sich der Gesetzgeber dieses Themas nochmals annehmen und sich für ein Konzept entscheiden könnte, welches Interessenkonflikte vermeidet, die amtliche Verteidigung und damit den amtlich verteidigten Beschuldigten in seinen Rechten stärkt und den verfassungsrechtlichen sowie rechtsstaatlichen Anforderungen vollends entspricht.
Fussnoten siehe PDF.