Seit der Studienrevision 2013 bietet die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Zürich im Aufbaustudium, sprich: im zweiten und dritten Studienjahr, nur noch eine statt zwei Prüfungssessionen pro Jahr an. Wer in dieser Phase eine Prüfung nicht besteht, muss seither ein ganzes Jahr warten, um die Prüfung wiederholen zu können – so lange wie an keiner anderen Jus-Fakultät (siehe Tabelle im PDF).
Der studentische Widerstand gegen die damaligen Änderungen war gross. 1450 Jus-Studenten unterzeichneten eine Petition des Tessiner Studentenvereins Circolo Giovani Giuristi Zurigo, welche die Einführung von Wiederholungsprüfungen für alle Repetierenden forderte. Dieses Anliegen blieb ungehört. Immerhin verzichtete die Fakultät darauf, auch im Assessmentjahr nur noch einmal jährlich Prüfungen durchzuführen. Zudem wurden Ersatzprüfungen für jene Studenten der Aufbaustufe eingeführt, die den ordentlichen Prüfungstermin aus «zwingenden, unabwendbaren Gründen» nicht wahrnehmen konnten.
Auch damit ist jetzt Schluss: Per Frühjahrssemester 2017 hat die Fakultät die Ersatzprüfungen gestrichen. Begründung der Fakultätsleitung: Diese Ersatzprüfungen würden einen Mehraufwand verursachen, der in keinem Verhältnis zur Anzahl Fälle stehe, in denen sie eine Studienzeitverlängerung verhindern könnten. Ersatzprüfungen werden künftig nur noch in begründeten Einzelfällen angeboten, wenn eine Verlängerung des Studiums im Raum steht, die einen Härtefall darstellt.
Trotz dieser Härtefallklausel lancierte die Studentische Interessengemeinschaft Recht eine Petition für den Erhalt der Ersatzprüfungen. Die Studenten seien sich des Mehraufwands für die Professoren bewusst, sagt Gianna Rumpel von der Interessengemeinschaft. Sie gibt jedoch zu bedenken: «Auch die neue Härtefallklausel verursacht zusätzlichen administrativen Aufwand, da jeder Einzelfall minuziös geprüft werden muss. Zudem müssen dann doch Ersatzprüfungen angeboten werden – dies einfach für noch weniger Studenten.» Die Abschaffung der Ersatzprüfungen in der bestehenden Form führt so zwangsläufig zu ärgerlichen Verlängerungen des Studiums.
Kürzere Prüfungsintervalle sind ökonomisch sinnvoll
Während man in Zürich über Ersatzprüfungen für Krankheitsabwesende streitet, bieten andere Jus-Fakultäten auch im Aufbaustudium für alle Studenten zeitnah Wiederholungsprüfungen an (siehe Tabelle unten). Selbst wer eine Prüfung nicht besteht, kann den Fehlversuch schnell ausmerzen oder sich nach wiederholtem Scheitern einem anderen Studium oder einer neuen beruflichen Tätigkeit zuwenden. Kürzere Prüfungsintervalle stehen somit auch im ökonomischen Interesse der Studierenden.
Mit Blick auf die Zürcher Regelung stellt sich die Frage, warum man das Angebot einengt, statt es auszubauen. Denn klar ist: Wer eine Prüfung nicht besteht oder ihr entschuldigt fernbleibt, wird sie früher oder später wiederholen. Es ist somit nicht die Frage, ob, sondern wann der Korrekturaufwand entsteht.
Die Dekanin der Zürcher Jus- Fakultät, Brigitte Tag, sagt dazu: «Mehrere Wiederholungstermine führen zu einer Mehrbelastung, die in keinem Verhältnis zur Entlastung der regulären Prüfungen durch weniger Studierende steht.» Die Organisation von mehr als 10 000 Prüfungen Ende Frühjahrssemester und mehr als 5000 im Winter schaffe räumliche und zeitliche Sachzwänge, die den Handlungsspielraum aller Beteiligten stark einenge, so die Dekanin weiter. Zusätzliche Angebote müssten deshalb zugunsten der Qualität der Prüfungen in den Hintergrund treten.
Mit 2973 Jus-Studenten, davon 1118 im Aufbaustudium, hat die Uni Zürich landesweit effektiv die grösste Kundschaft. 55 Studenten kommen auf eine ordentliche Professur, elf sind es pro Assistenz. Doch andere Jus-Fakultäten sind ähnlich stark belastet: An der Uni Genf sind es 2096 Jus-Studierende, das heisst 54 pro Ordinarius und 21 pro Assistenz. Auch wenn solch grobe Vergleiche mit Vorsicht zu geniessen sind, fällt auf, dass Fakultäten mit ähnlicher Frequentierung ihren Studenten ein breiteres Angebot an Prüfungsterminen bieten als die Uni Zürich. Unterschiede sind zudem nicht nur bei den Prüfungsterminen auszumachen: Auch die Anzahl der Wiederholungsversuche und die Bestehensvoraussetzungen für Bachelor und Master variieren von Uni zu Uni stark (siehe dazu ausführliche Tabelle auf www.plaedoyer.ch } Links).
Fazit: Mehr als zehn Jahre nach Einführung der Bologna-Studiengänge sind deren Feineinstellungen durch die Unis langsam, aber sicher abgeschlossen. Es ist daher damit zu rechnen, dass die einzelnen Jus-Fakultäten ihre Prüfungsmodalitäten zumindest mittelfristig beibehalten, womit die bestehenden Unterschiede noch besser erkennbar werden.
Wie der florierende Prüfungstourismus zeigt (siehe plädoyer 2/14), reagieren Studenten teils sehr sensibel auf unterschiedliche Prüfungsmodalitäten. Bei der Wahl des Ausbildungsplatzes dürften die Prüfungsmodalitäten der Unis daher noch stärker ins Zentrum rücken.