Rechtshilfe für Arme
Rechtsschutz · Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht unterstützt Sozialhilfeempfänger. Sie bietet in der Deutschschweiz rechtliche Beratungen an. Und beschreitet notfalls den Rechtsweg.
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Plädoyer 02/2019
01.04.2019
Gian Andrea Schmid
Der gemeinnützige Verein «Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht» (UFS) wurde Ende 2012 gegründet. Sein Zweck besteht in der kostenlosen rechtlichen Unterstützung von Armutsbetroffenen. Die Idee zur Fachstelle kam Rechtsanwalt Pierre Heusser beim Schreiben eines Artikels für plädoyer zum Thema. Er forderte im Beitrag «Rechtsschutz: Für die Schwächsten zu schwach» eine Gratisberatungsstelle für Sozial...
Der gemeinnützige Verein «Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht» (UFS) wurde Ende 2012 gegründet. Sein Zweck besteht in der kostenlosen rechtlichen Unterstützung von Armutsbetroffenen. Die Idee zur Fachstelle kam Rechtsanwalt Pierre Heusser beim Schreiben eines Artikels für plädoyer zum Thema. Er forderte im Beitrag «Rechtsschutz: Für die Schwächsten zu schwach» eine Gratisberatungsstelle für Sozialhilfeempfänger (plädoyer 1/2009). Für Rechtsanwälte sei dieses Rechtsgebiet zwar nicht lukrativ. «Für die Betroffenen geht es jedoch um die Existenz.»
Die Gründung der Fachstelle für Sozialhilferecht erfolgte 2012 zusammen mit dem heutigen Geschäftsleiter Andreas Hediger. Heute ist Heusser Vertrauensanwalt des Vereins. Er bearbeitet jene Fälle, in denen ein Rechtsanwalt aufgrund des Anwaltsgesetzes zwingend ist, sowie wichtige Fälle mit präjudiziellem Charakter.
Die Fachstelle bietet in der ganzen Deutschschweiz kostenlose Rechtsberatungen an. Die Erstberatung läuft telefonisch über eine der fünf Personen des Beratungsteams. Diese Berater arbeiten teilweise ehrenamtlich. 2018 führte die Fachstelle über 1200 Beratungen und Rechtsbegleitungen durch. «Rund die Hälfte aller telefonischen Anfragen müssen jedoch aus Kapazitätsgründen abgelehnt werden», sagt Heusser. Er rechnet in Zukunft mit einem noch grösseren Engpass. Grund: Das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz beendete seine unentgeltliche Rechtsberatung für armutsbetroffene Personen in den Kantonen Aargau und Solothurn Ende 2018 aus finanziellen Gründen. Damit ist die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht noch die einzige spezialisierte Rechtsberatungsstelle in der Schweiz.
Hohe Erfolgsquote bei Gerichtsfällen
Etwa ein Viertel der gut 1200 im letzten Jahr durchgeführten Beratungen und Rechtsbegleitungen betrafen Kinder. Thematisch ging es am häufigsten um Interventionen gegen die Reduktion von Sozialhilfeleistungen. In 94 Prozent der Fälle konnte die Fachstelle mit Beratungen und Vermittlungen Lösungen erwirken. In den übrigen sechs Prozent wurde der Rechtsweg beschritten. Seit dem Start der Fachstelle betrage die Erfolgsquote bei den Gerichtsverfahren rund 80 Prozent. Die hohe Quote lässt laut Heusser vermuten, «dass es wohl nicht nur Einzelfälle sind, die weniger Sozialhilfeleistungen erhalten, als ihnen rechtmässig zustehen würden».
Neben den Beratungen führt die Stelle auch Schulungen zum Sozialhilferecht durch. Dies bei Sozialbehörden, aber auch bei Organisationen wie dem Heks oder der Flüchtlingshilfe. 2018 führte der Verein 13 Weiterbildungsveranstaltungen durch, unter anderem auch an den Universitäten Basel und Zürich und an der Hochschule Luzern. Für die Zukunft fordert Heusser, dass es in jedem Kanton eine Rechtsberatungsstelle für Sozialhilfe gibt.
Der Verein als Träger der Fachstelle Sozialhilfe finanziert sich überwiegend über Spenden und Mitgliederbeiträge von Einzelpersonen und privaten Institutionen. Beiträge der öffentlichen Hand erhält er bisher nicht. Heusser sagt: «Der Staat muss sich an Beratungsangeboten für Armutsbetroffene beteiligen.» Sonst sei der Zugang zum Recht nicht für alle Bevölkerungsschichten ausreichend gewährleistet.