Am 4. Mai schrieb Sandra Eugster vom Bezirksgericht Zürich Rechtsgeschichte. Als erste Richterin in der Schweiz bewilligte sie eine sogenannte Covid-19-Stundung. Darum ersucht hatte ein Zürcher Unternehmer.
Das neue Stundungsverfahren gibt es erst seit dem 20. April. Damit will der Bundesrat Konkurse verhindern. Geregelt ist es in der «Covid-19-Verordnung Insolvenzrecht» (siehe Kasten).
Das Verfahren steht den rund 600 000 Schweizer Einzelfirmen und KMU offen. Einzige Voraussetzung: Die Firma darf Ende 2019 nicht überschuldet gewesen sein – oder es müssen Rangrücktritte im Umfang der Überschuldung vorliegen. Börsenkotierte Unternehmen und Gesellschaften, die der ordentlichen Revisionunterliegen, sowie Privatpersonen sind von der Covid-19-Stundung ausgeschlossen. Zuständig ist das Nachlassgericht am Wohnsitz des Einzelunternehmers oder am Sitz der juristischen Person. Die Gerichte der Kantone Basel-Stadt, Nidwalden, Uri und Zürich stellen für das Gesuch ein Formular zur Verfügung. Dieses ist mit der Bilanz und der Erfolgsrechnung des Jahres 2019 einzureichen. Liegen diese noch nicht vor, müssen die Gesuchsteller mit anderen Unterlagen belegen, dass das Unternehmen Ende letztes Jahr nicht überschuldet war, etwa mit Debitoren-, Kreditoren- und Inventarlisten. Die Verfahrenskosten betragen 200 bis maximal 2500 Franken. Das Bezirksgericht Zürich verlangte im genannten Fall 500 Franken.
Die Stundung beträgt bis zu drei Monate. Sie kann einmal um weitere drei Monate verlängert werden. Ein Sachwalter wird nicht eingesetzt, weil das Verfahren einfach und kostengünstig sein soll.
Das Nachlassgericht muss die Stundung im Schweizerischen Handelsamtsblatt und im kantonalen Amtsblatt publizieren. Zudem muss die Firma ihre Gläubiger schriftlich oder per E-Mail über die Stundung informieren.
Betreibungsstopp bis zum Ablauf der Stundung
Die Covid-19-Stundung bewirkt einen Betreibungsstopp. Er gilt für alle Schulden, die vor der bewilligten Stundung entstanden sind. Ausgenommen sind Forderungen der 1. Klasse. Das Unternehmen kann seine Geschäftstätigkeit während der Stundung weiterführen. Es darf nicht gegen berechtigte Interessen der Gläubiger verstossen oder einzelne Gläubiger bevorzugen – etwa indem es gewisse gestundete Schulden bezahlt.
Für den Verkauf von Anlagevermögen braucht es die Zustimmung des Nachlassgerichts. Verletzt die Firma diese Pflichten, kann das Nachlassgericht die Stundung widerrufen und den Konkurs von Amtes wegen eröffnen. Mit dem Ablauf der Stundungsdauer fallen die Wirkungen der Covid-19-Stundung automatisch dahin. Das Unternehmen kann wieder betrieben werden. Falls nötig, kann es anschliessend ein Gesuch um provisorische Nachlassstundung stellen.
Covid-19-Verordnung Insolvenzrecht
Neben der Covid-19-Stundung hat der Bundesrat weitere Massnahmen erlassen, um Firmen vor einem Konkurs zu schützen: Überschuldete Unternehmen müssen zurzeit die Bilanz nicht deponieren, wenn sie Ende 2019 nicht überschuldet waren und wenn Aussicht besteht, dass die Überschuldung Ende 2020 behoben ist. Sind diese Punkte nicht erfüllt, können Unternehmen das teurere ordentliche Nachlassverfahren beantragen. Dabei müssen sie aktuell keinen provisorischen Sanierungsplan einreichen. Weiter darf das Nachlassgericht nicht prüfen, ob die Firma sanierungsfähig ist. Und die Dauer der provisorischen Nachlassstundung kann neu sechs statt vier Monate betragen.