Darauf gibt es eine klare Antwort: Nein. Eine solche Aufforderung ist rechtswidrig. Dennoch setzen gewisse Zwangsmassnahmengerichte im Rahmen von Entsiegelungsverfahren Beschuldigten eine Frist, um Passwörter ihrer sichergestellten Geräte preiszugeben – und zwar ohne jeden Hinweis auf das Aussage- und Mitwirkungsverweigerungsrecht gemäss Artikel 113 Absatz 1 und Artikel 158 Absatz 1 litera b der Strafprozessordnung (StPO). Dies ist problematisch.
In einem aktuellen Fall vor dem Zwangsmassnahmengericht Zürich lautet die gerichtliche Anordnung dazu wie folgt: «Dem Gesuchsgegner läuft eine Frist von zehn Tagen ab Zustellung dieser Verfügung, um dem Zwangsmassnahmengericht die Gerätesperrcodes beziehungsweise Passwörter der sichergestellten elektronischen Datenträger sowie die PIN- und/oder PUK-Codes der entsprechenden SIM-Karten bekanntzugeben.» Diese Aufforderung widerspricht grundlegenden Rechten, die dem Beschuldigten in einem Strafverfahren zukommen.
Die Entsiegelung von elektronischen Geräten ist ein Eingriff in die Privatsphäre, der einer beschuldigten Person im Rahmen eines Strafverfahrens regelmässig droht. Der Beschuldigte ist aber aufgrund seines Aussage- und Mitwirkungsverweigerungsrechts berechtigt, zu schweigen, ohne dass ihm daraus Nachteile erwachsen dürfen.
In der Praxis wird der Beschuldigte regelmässig nach seinen Gerätecodes gefragt, korrekterweise erst nach erfolgter Rechtsbelehrung (keineswegs aber immer, siehe etwa BGer 1B_535/2021). Eine rechtskonforme Frage nach den Codes ist nicht gleichbedeutend mit einer gerichtlichen Aufforderung zur Herausgabe.
Die Tatsache, dass Zwangsmassnahmengerichte mit ihrem Vorgehen Druck auf die Beschuldigten ausüben, verstösst gegen die in der Bundesverfassung verankerten Grundsätze von Treu und Glauben (Artikel 5 Absatz 3 BV), gegen das Willkürverbot (Artikel 9 BV) sowie gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 29 Absatz 1 BV und Artikel 6 EMRK).
Auf Gesetzesebene verletzt das beschriebene Vorgehen zudem Artikel 3 Absatz 2 litera a StPO, wonach die Strafbehörden – dazu zählen gemäss Artikel 13 litera a StPO auch die Zwangsmassnahmengerichte – dazu verpflichtet sind, nach Treu und Glauben zu handeln.
Der technische Fortschritt hat dazu geführt, dass moderne Smartphones oft so stark verschlüsselt sind, dass eine Entsperrung ohne die Zugangscodes teilweise unmöglich ist. Dies rechtfertigt jedoch keinesfalls, dass gerichtlicher Druck auf Beschuldigte ausgeübt wird. Eine gerichtliche Aufforderung, welche vom Beschuldigten die Bekanntgabe von Gerätesperrcodes verlangt – obwohl gerade keine Verpflichtung dazu besteht –, untergräbt das Vertrauen in die Justiz.
Abschliessend stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen es hat, wenn ein Beschuldigter der gerichtlichen Aufforderung nachkommt, seine Codes preisgibt und die Geräte ausgewertet werden.
Letztlich kann offenbleiben, ob eine solche Aufforderung infolge ihres besonders schweren und leicht erkennbaren Rechtsmangels von vornherein als nichtig zu betrachten ist. Denn auf jeden Fall müsste eine erfolgte Preisgabe zur Unverwertbarkeit der dadurch erhobenen Beweise führen (Artikel 158 Absatz 2 in