Sommerbücher von Juristen für Juristen
Inhalt
Plädoyer 04/2024
08.07.2024
Benjamin Rotschild, Milad Al-Rafu
Der Berliner Strafverteidiger Ferdinand von Schirach treibt in seinem neuen Buch «Sie sagt. Er sagt.» ein Verwirrspiel der unangenehmen Art. In einem Strafprozess klagt die Staatsanwaltschaft einen Mann wegen einer Vergewaltigung einer Starjournalistin an. Immer wenn der Leser glaubt, der Wahrheit nahegekommen zu sein, wirft eine neue Information wieder alles über den Haufen. Anders als bei anderen Krimis erhöhen diese Wendungen die Spannung nicht, da sie ...
Der Berliner Strafverteidiger Ferdinand von Schirach treibt in seinem neuen Buch «Sie sagt. Er sagt.» ein Verwirrspiel der unangenehmen Art. In einem Strafprozess klagt die Staatsanwaltschaft einen Mann wegen einer Vergewaltigung einer Starjournalistin an. Immer wenn der Leser glaubt, der Wahrheit nahegekommen zu sein, wirft eine neue Information wieder alles über den Haufen. Anders als bei anderen Krimis erhöhen diese Wendungen die Spannung nicht, da sie das Bedürfnis des Lesers nach Orientierung unterlaufen und der Autor vermeintliche Sicherheiten kontinuierlich umstösst.
Mit Bernhard Schlink («Der Vorleser») hat ein weiterer Autor mit juristischem Hintergrund ein neues Werk veröffentlicht. «Das späte Leben» handelt von einem 76-jährigen Professor für Rechtsgeschichte. Dieser hat von seinem Arzt erfahren, dass er in einem halben Jahr sterben wird. Er will bis zu seinem Ableben noch einiges erledigen. Wie Schlinks frühere Werke ist auch dieses Buch von einer schnörkellosen Sprache geprägt.
Von einer wahren Geschichte handelt das kürzlich erschienene Buch von Christian Huber. Der ehemalige Präsident des Zürcher Geschworenengerichts und Regierungsrat setzt sich mit dem «Mordfall Näf» auseinander. In dessen Zentrum steht der Tod von Luise Näf, der Ehefrau von Johann Näf, die von ihrem Gatten eines Morgens im Februar 1934 leblos auf dem Küchenboden vorgefunden wird. Als Todesursache stellt der Arzt eine Gasvergiftung fest. Die These von einem Selbstmord oder Unfall weicht bald einem Mordverdacht. Schliesslich wird dem Ehemann vor dem Geschworenengericht der Prozess gemacht.
Huber baut die Nacherzählung auf historischen Dokumenten und Zeitungsartikeln auf. Dank der verständlichen Sprache liest sich sein Buch wie ein Krimi und gibt interessante Einblicke ins Zürich der 1930er-Jahre. Auch rechtshistorisch ist es interessant: «Der Mordfall Näf» nimmt den juristisch interessierten Leser mit in eine Zeit, in der das Unmittelbarkeitsprinzip prägend war und den Plädoyers von Anklage und Verteidigung eine Schlüsselrolle zukam.
Ferdinand von Schirach
Sie sagt. Er sagt.
Btb, Pössneck 2024
144 Seiten, Fr. 20.–
Bernhard Schlink
Das späte Leben
Diogenes, Zürich 2023
240 Seiten, Fr. 37.–
Christian Huber
Der Mordfall Näf
Edition Königstuhl, Ulm 2023
184 Seiten, Fr. 24.–