Klageverfahren in handelsgerichtlichen Streitigkeiten können für die Parteien und Anwälte anspruchsvoll sein.1 Wer die Checkliste aus Richtersicht beachtet, kann das Prozessrisiko deutlich mindern.
1. Einleitung der Klage
Die gesetzlichen Anforderungen von Artikel 221 der Zivilprozessordnung (ZPO) an eine Klage sind selbstverständlich auch bei einer Eingabe vor Handelsgericht einzuhalten. Die Klage muss insbesondere die Parteien, Vertreter und Rechtsbegehren nennen, den Streitwert beziffern sowie Sachbehauptungen und Beweismittel enthalten. Rechtliche Begründungen bleiben freiwillig.
Auch das Beweismittelverzeichnis darf nicht fehlen. Häufig stossen Parteien bei den vermeintlich einfachen Formalien im Sinn von Artikel 221 ZPO an. Die Parteien erhalten zwar oft Gelegenheit zur Verbesserung. Doch nur schon aus Gründen der Verfahrensökonomie sollten vermeidbare Fehler vermieden werden. Nachstehend werden häufige Probleme aufgezeigt.
1.1 Vollmacht
Die Vertreter müssen sich mit einer hinreichenden Vollmacht ausweisen. Bei Organvertretern wird daher vorausgesetzt, dass sie einen passenden Handelsregisterauszug einreichen. Bei ausländischen Handelsregistern ist erforderlich, dass das ausländische Register in etwa die gleiche Funktion wie das hiesige Handelsregister erfüllt.
In Betracht kommen auch Bescheinigungen von Handelskammern oder Konsulaten, aber auch sonstige Beweismittel, aus denen sich mit Bestimmtheit ergibt, dass die Partei im Ausland als kaufmännisches Unternehmen anerkannt ist. Die Unterschrift des Vertreters muss lesbar sein und einer bestimmten Person mit Zeichnungsberechtigung zugeordnet werden können. Das Handelsgericht Zürich erwartet eine aktuelle und auf den Streitgegenstand zugeschnittene Vollmacht.
1.2 Unleserliche und umfangreiche Eingaben
Unleserliche, unverständliche, ungebührliche oder weitschweifige Eingaben sind gemäss Artikel 132 ZPO innert einer Nachfrist zu verbessern. Massgebendes Kriterium zur Beurteilung der Unleserlichkeit ist, ob es für das Gericht und die Parteien noch zumutbar ist, die Eingabe ohne grosse Mühe zu lesen. Als unzumutbar erachtete das Handelsgericht Zürich etwa eine Klage, die zahlreiche, teils mehr als die Hälfte einer Seite einnehmende Fussnoten enthielt, in denen auf engem Raum rechtliche mit tatsächlichen Ausführungen vermischt wurden.2
Unverständlich ist eine Eingabe dann, wenn deren Begehren oder Begründung unklar, das heisst mehrdeutig oder widersprüchlich sind oder darin kein vernünftiger Sinn erkennbar ist. Unverständlich kann auch eine unübersichtliche oder unstrukturierte Eingabe sein.
Wegen Unverständlichkeit und teilweiser Weitschweifigkeit trat das Handelsgericht Zürich zum Beispiel auf eine Klage nicht ein, die auf 78 eng bedruckten Seiten zahlreiche Wiederholungen und langatmige Ausführungen mit grösstenteils schwer verständlichen Sätzen und vielen Einschüben aufwies. Es war auch durch Auslegung des in der gesamten Eingabe Dargelegten nicht zu ermitteln, was der Kläger genau forderte, beziehungswiese wie er dies begründete.3
1.3 Weitschweifigkeit
Bei der Beurteilung der Weitschweifigkeit ist insbesondere der Umfang der bisherigen eigenen und gegnerischen Rechtsschriften zu berücksichtigen. Eine weitere Variante einer weitschweifigen Eingabe sieht das Gericht bei inhaltlichen Abschweifungen vom Prozessthema. Weitschweifigkeit kann ferner auch darin gesehen werden, dass eine Partei zahlreiche Beilagen zu einer Rechtsschrift einreicht, die nicht in erkennbarer Weise mit der konkreten Streitfrage im Zusammenhang stehen.4
Bei der Annahme von Weitschweifigkeit ist im Zweifelsfall Zurückhaltung geboten. Wird vorschnell auf Weitschweifigkeit erkannt, kann darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegen. Das Handelsgericht weist weitschweifige Eingaben im Sinn von Artikel 132 ZPO aus dem Recht und setzt der betreffenden Partei eine Nachfrist zur Verbesserung. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, im Detail aufzuzeigen, welche Passagen konkret weitschweifig oder schwer verständlich sind.
Das Handelsgericht Zürich bejahte die Frage der Weitschweifigkeit etwa bei einer Klageantwort von 265 Seiten, die auf eine Klage mit 24 Seiten folgte. Die Beklagte erhielt eine Nachfrist zur Verbesserung mit der Auflage, ihre Vorbringen in einer Rechtsschrift vorzutragen, die bei unverändertem Schriftbild den Umfang von 100 Seiten nicht übersteigt.5
Das Gericht wies auch eine Replik und Widerklageantwort mit 648 Seiten bei einer vorausgegangenen Klageantwort und Widerklage von 60 Seiten zurück. Die Klägerin erhielt eine Nachfrist mit der Auflage, den Umfang auf 180 Seiten zu reduzieren.6
Probleme schaffen bei umfangreichen Rechtsschriften insbesondere zahlreiche Wiederholungen, eine fehlende Struktur oder Tatsachenbehauptungen und Argumente, die nicht konzentriert an einem Ort aufzufinden, sondern über die gesamten Rechtsschriften verstreut sind.
Es obliegt den Parteien, ihre Rechtsschriften übersichtlich und sachdienlich zu gestalten. Je umfangreicher die Rechtsschrift, desto höhere Anforderungen sind an eine übersichtliche, nachvollziehbare Struktur zu stellen. Die Parteien sind gehalten, rechtserhebliche Tatsachenbehauptungen und Bestreitungen nach Themen zu gliedern und konzentriert an einem Ort (und wo unvermeidbar an verschiedenen Stellen, aber mit internen Verweisen) vorzubringen. Namentlich sind Tatsachenbehauptungen und Bestreitungen den zu beurteilenden Tatbestandselementen (Mangel, Rügefrist, Kausalzusammenhang, Schaden etc.) zuzuordnen.
Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich in umfangreichen Rechtsschriften die rechtserheblichen Parteibehauptungen zusammenzusuchen. Angesichts des Anspruchs auf rechtliches Gehör und Waffengleichheit ist dies auch der Gegenpartei nicht zumutbar. Soweit die Rechtsschriften diese Anforderungen nicht erfüllen, sind die Parteien ihrer Behauptungs- und Bestreitungslast nicht rechtsgenügend nachgekommen.
1.4 Rechtsbegehren
1.4.1 Bestimmtheit
Oberstes Gebot für die Formulierung eines Rechtsbegehrens ist die genügende Bestimmtheit. Die Formulierung des Rechtsbegehrens muss so bestimmt sein, dass es bei Gutheissung unverändert zum Urteil erhoben und das Urteil vollstreckt werden kann. Für Leistungsklagen bedeutet das Bestimmtheitsgebot, dass das Rechtsbegehren die begehrte Leistung nach Art und Umfang so genau bezeichnen muss, dass keine Ungewissheit über das Geforderte besteht.
Auf Klagen mit Rechtsbegehren, die unbestimmt oder unklar oder unvollständig sind, ist nicht einzutreten. Als zu unbestimmt wurde am Handelsgericht Zürich beispielsweise das folgende Rechtsbegehren erachtet: «Die Beklagte sei zu verpflichten, sich aller übermässigen Einwirkungen auf das Eigentum der Klägerin zu enthalten.»
1.4.2 Informationsbegehren
Verlangt ein Kläger mit seinem Rechtsbegehren den Zugang zu einer Information oder einem Dokument, ist das Handesgericht bei der Beurteilung der Bestimmtheit nicht allzu streng. Vom Kläger kann nicht gefordert werden, jeden verlangten Beleg einzeln zu bezeichnen, wenn er grundsätzlich noch gar nicht weiss, was genau der Inhalt der ihm zustehenden Informationen ist. Es muss genügen, wenn der Kläger mit seinem Antrag Klarheit darüber schafft, zu welchem Zweck er worüber Auskunft oder Rechnungslegung verlangt und für welchen Zeitraum und in welcher Form er dies begehrt.7
1.4.3 Stufenklage
Hilfreich kann auch eine Stufenklage sein. Das Rechtsbegehren einer solchen könnte in etwa wie folgt lauten:
«1. Es sei die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die vollständigen, sie betreffenden Patientenakten, die im Behandlungszeitraum vom 4. Februar 2021 bis zum 15. November 2022 angelegt wurden, herauszugeben.
2. Es sei die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen nach der Auskunftserteilung gemäss Ziffer 1 noch zu beziffernden Betrag (mindestens 65 000 Franken) zuzüglich Zins von 5 Prozent ab dem 15. November 2016 zu bezahlen.»
1.4.4 Unbezifferte Forderungsklage
Für den Fall, dass es der klagenden Partei unmöglich oder unzumutbar sein sollte, ihre Forderung bereits zu Beginn des Prozesses zu beziffern, sieht Artikel 85 ZPO die Möglichkeit vor, eine unbezifferte Forderungsklage zu erheben.
Bei der unbezifferten Forderungsklage im engeren Sinn bildet (im Gegensatz zur Stufenklage) das Ergebnis des Beweisverfahrens die Grundlage für die Bezifferung der Forderung. Erforderlich ist gemäss Artikel 85 ZPO allerdings die Angabe eines Mindeststreitwerts, der als vorläufiger Streitwert gilt.
Die Praxis bei der Zulassung der unbezifferten Forderungsklage ist restriktiv. Der Kläger muss nachweisen, inwieweit eine Bezifferung unmöglich oder unzumutbar ist. Die Bezifferung ist etwa unmöglich, wenn der Kläger die Höhe seines Anspruchs nicht kennen kann, weil diese Informationen nicht in seinem Einflussbereich liegen.
Die Bezifferung ist dann unmöglich, wenn die Informationen erst und nur durch das Beweisverfahren im Prozess oder durch ein vorgängig zu behandelndes Informationsbegehren im Rahmen einer Stufenklage erlangt werden können. Die Bezifferung ist dann unzumutbar, wenn sie zu einem übermässigen Aufwand oder zu Kosten führen würde, die in keinem Verhältnis zum strittigen Schaden stehen.
Das Handelsgericht Zürich ist etwa auf folgende unbezifferte Forderungsklage nicht eingetreten:
«Es sei der Kaufpreis von 1,2 Millionen Franken für die Parzelle X um den nach Durchführung des Beweisverfahrens zu beziffernden Betrag zu mindern, mindestens jedoch um 65'000 Franken nebst 5 Prozent Zins seit dem 27. April 2018.»
Die Klägerin beschränkte sich in ihrer Klageschrift auf den pauschalen Hinweis, dass sie ohne Abnahme der beantragten Beweise nicht in der Lage sei, die Kaufpreisminderung und den weiteren Schaden zu beziffern. Sie unterliess es, ausreichend darzulegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Bezifferung ihrer Forderungen gegeben wären. Dies genügt nicht, weshalb ein Nichteintretensentscheid erging.
1.4.5 Tücken von echten Teilklagen
Ist ein Anspruch teilbar, kann auch nur ein Teil eingeklagt werden. Es ist somit zulässig, nur einen Teil einer Gesamtforderung einzuklagen. Bei einer solchen sogenannten echten Teilklage lauert allerdings eine Gefahr. Wird eine echte Teilklage vollständig abgewiesen, ist damit der gesamte Anspruch rechtskräftig abgeurteilt.8
1.4.6 Feststellungsinteresse
Auf Hindernisse stossen Kläger insbesondere bei Feststellungsklagen. Wichtig ist: Es gilt der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber anderen Klagen. Ausnahmsweise kann aber ein selbständiges Interesse an der gerichtlichen Feststellung bestehen.
Der Kläger muss bei einer Feststellungsklage insbesondere nachweisen, dass Ungewissheit über die Rechtslage besteht, der Fortbestand der Unsicherheit unzumutbar ist und andere Schritte zur Beseitigung der Ungewissheit, etwa eine Leistungsklage, unmöglich sind. Auch Feststellungsklagen sind so präzis wie möglich zu fassen. Das Handelsgericht beurteilte etwa folgendes Begehren als zu unbestimmt:
«Es sei die Widerrechtlichkeit der Persönlichkeitsverletzung gegenüber dem Kläger festzustellen.»
1.4.7 Korrekte Währung
Immer wieder scheitern Klagen auch daran, dass die falsche Währung eingeklagt wird.9 Grundsätzlich ist der Schuldner gemäss Artikel 84 Absatz 1 OR verpflichtet, Geldschulden in der geschuldeten Währung zu bezahlen. Und das Gericht darf einer Partei laut der Dispositionsmaxime im Sinn von Artikel 58 ZPO nicht mehr und nichts anderes zusprechen, als sie verlangt.
1.5 Tatsachenbehauptungen
Es ist nicht nur wichtig, die relevanten Beweismittel vorzulegen. Die Parteien müssen in ihren Rechtsschriften auch die Tatsachen dazu hinreichend behaupten. Wenn in den Eingaben bei der Behauptung von Tatsachen auf Beilagen verwiesen wird, stellt sich die Frage, ob dies aus Sicht der Behauptungs- und Substanziierungslast genügt.
Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang wiederholt festgehalten, dass der blosse pauschale Verweis auf Beilagen in aller Regel nicht genügt. Der entsprechende Verweis in der Rechtsschrift muss spezifisch ein bestimmtes Aktenstück nennen und aus dem Verweis muss selbst klar werden, welche Teile des Aktenstücks als Parteibehauptung gelten sollen.
Es genügt nicht, dass die verlangten Informationen in den Beilagen in irgendeiner Form vorhanden sind. Es muss ein problemloser Zugriff auf die Informationen gewährleistet sein und es darf kein Interpretationsspielraum entstehen.10
Das Handelsgericht Zürich wies beispielsweise die Klage eines Bauunternehmens auf Zahlung des Werklohns mit folgender Begründung ab: «Es ist aber nicht Aufgabe des Gerichts oder der Gegenpartei, sich aus 65 Seiten Schlussrechnung und Ausmasse die jeweils zusammengehörigen Positionen herauszusuchen.»
1.6 Sachliche Zuständigkeit
Das Handelsgericht ist laut Artikel 6 Absatz 2 ZPO für Streitigkeiten aus einer geschäftlichen Tätigkeit mindestens eines im Handelsregister eingetragenen Unternehmens zuständig, sofern eine Beschwerde in Zivilsachen zulässig ist. Der Streitwert einer zulässigen Klage vor Handelsgericht muss daher im Sinne von Artikel 74 Absatz 1 BGG mindestens 30'000 Franken betragen. Der Streitwert ist für die Zuständigkeit des Handelsgerichts somit von entscheidender Bedeutung.
Besonders aufzupassen ist bei einem Streitwert, der genau 30 000 Franken beträgt. Er erfüllt zwar die Voraussetzungen gemäss Artikel 6 Absatz 2 ZPO, fällt allerdings laut Artikel 243 Absatz 1 ZPO unter das vereinfachte Verfahren. Das Bundesgericht entschied: Die Regelung der Verfahrensart geht jener über die sachliche Zuständigkeit vor. Für eine solche Klage sind somit die ordentlichen Gerichte zuständig. Das Handelsgericht tritt auf entsprechende Klagen nicht ein.11
Speziell ist die Lage bei einer objektiven Klagehäufung, also wenn der Kläger gegen denselben Beklagten mehrere Forderungen geltend macht. Ansprüche, die durch ihren Streitwert einzeln betrachtet nicht in der gleichen Verfahrensart vom gleichen Gericht beurteilt würden, können gehäuft werden, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen.
Die einzelnen Ansprüche sind nach Artikel 93 ZPO zusammenzurechnen. Resultiert daraus ein Streitwert von über 30'000 Franken, kommt das ordentliche Verfahren zur Anwendung und das Handelsgericht ist zur Beurteilung sämtlicher Ansprüche zuständig, selbst wenn einzelne Streitgegenstände für sich betrachtet im vereinfachten Verfahren zu beurteilen wären.12
Bei einer einfachen Streitgenossenschaft ist die Lage anders. Klagen mehrere Personen Streitwerte bis je 30 000 Franken ein, kommt Artikel 93 Absatz 2 ZPO zum Tragen, wonach die Verfahrensart bei einer einfachen Streitgenossenschaft trotz Addition des Streitwerts erhalten bleibt. Laut Artikel 243 Absatz 3 ZPO ist das Handelsgericht nicht bei Klagen zuständig, für welche das vereinfachte Verfahren gilt. Die Zuständigkeit des Handelsgerichts für die Klage gegen einen Streitgenossen oder für Klagen von einem Streitgenossen ist daher ausgeschlossen, wenn der Streitwert des betreffenden Anspruchs 30'000 Franken nicht übersteigt.
Das Handelsgericht ist ebenfalls nicht zuständig, wenn ein einzelner Streitgenosse nicht im Handelsregister eingetragen ist. Ist für einzelne Streitgenossen das Vorliegen einer handelsrechtlichen Streitigkeit zu bejahen, für andere hingegen nicht, tritt das Handelsgericht auf die Klage nicht ein.
Nach der handelsgerichtlichen und bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die ordentlichen Gerichte zur Beurteilung sämtlicher subjektiv gehäuften Klagen, auch derjenigen gegen im Handelsregister eingetragene Parteien, sachlich zuständig. Das Bundesgericht stellte in diesem Zusammenhang fest, dass für alle eingeklagten Ansprüche die gleiche sachliche Zuständigkeit gelten müsse, was Artikel 71 ZPO stillschweigend voraussetze.13
2. Probleme beim Schriftenwechsel
2.1 Widerklage
Nach Artikel 224 Absatz 1 ZPO ist eine Widerklage zulässig, wenn der Anspruch in derselben Verfahrensart zu beurteilen ist wie die Hauptklage. Vor Handelsgericht kann jedoch keine Widerklage erhoben werden, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 243 Absatz 1 und Absatz 2 ZPO zu beurteilen wäre.14
Komplizierter wird es, wenn ein Kläger nicht im Handelsregister eingetragen ist und die Klage aufgrund des Klägerwahlrechts gemäss Artikel 6 Absatz 3 ZPO am Handelsgericht einreicht. Erhebt der Beklagte in solchen Fällen eine Widerklage, wird darauf eingetreten, wenn der geltend gemachte Anspruch mit dem Hauptklageanspruch konnex ist und die übrigen Voraussetzungen der handelsgerichtlichen Zuständigkeit erfüllt sind, insbesondere das Erfordernis der gleichen Verfahrensart.15
2.2 Klageänderung
Artikel 227 ZPO erlaubt eine Klageänderung während des Schriftenwechsels, wenn der geänderte oder neue Anspruch nach der gleichen Verfahrensart zu beurteilen ist und mit dem bisherigen Anspruch in einem sachlichen Zusammenhang steht oder wenn die Gegenpartei zustimmt.
Hier ist auf die aktuelle Praxis des Handelsgerichts Zürich hinzuweisen. Die Vornahme einer Klageänderung nach Artikel 227 ZPO ist einzig im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Verfahrensschritte möglich. Das heisst, eine Klageänderung vor dem Aktenschluss mittels beliebiger Eingabe und zu einem beliebigen Zeitpunkt ist grundsätzlich nicht zulässig.16 Eine solche Eingabe wird aus dem Recht gewiesen und bleibt damit unberücksichtigt.
Eine Klageänderung ist ausnahmsweise zulässig, wenn sie mittels einer vorgesehenen Stellungnahme als Reaktion auf eine gerichtliche Verfügung vorgenommen wird.
2.3 Vergleichsverhandlung
Nach der Praxis des Handelsgerichts Zürich werden unaufgeforderte Eingaben der Parteien vor der Vergleichsverhandlung grundsätzlich aus dem Recht gewiesen. Das Handelsgericht erwartet von den Parteien, dass sie eine allenfalls fehlende Vergleichsbereitschaft signalisieren. Denn das Gericht bietet den Parteien anlässlich der Vergleichsverhandlung eine fundierte Prozessrisikoanalyse. Die interdisziplinär zusammengestellte Gerichtsdelegation gibt eine vorläufige Einschätzung der Rechts-, Sach- und Beweislage ab und macht zudem auf weitere mögliche Risiken und negative Konsequenzen aufmerksam.
3. Abschluss des Schriftenwechsels
3.1 Noven- und Replikrecht
Nach der Durchführung des zweiten Schriftenwechsels ist Aktenschluss. Das heisst, weitere Eingaben sind grundsätzlich unbeachtlich und werden aus dem Recht gewiesen. Vorbehalten bleibt lediglich die Ausübung des Noven- und Replikrechts.
3.1.1 Novenrecht
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur noch berücksichtigt werden, wenn sie «ohne Verzug» nach der Entdeckung vorgebracht werden. Als ohne Verzug vorgebracht gilt eine Eingabe innert zehn Tagen; es kann also nicht bis zur Hauptverhandlung zugewartet werden. Mit Bezug auf jedes einzelne Novum ist darzutun, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäss Artikel 229 Absatz 1 ZPO in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht erfüllt sind.
3.1.2 Replikrecht
Das Replikrecht ermächtigt die Parteien, von allen bei Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können, unabhängig davon, ob die Eingaben neue oder wesentliche Vorbringen enthalten. Die Ausübung des Replikrechts muss umgehend erfolgen, in der Regel innerhalb von zehn Tagen, ansonsten der Verzicht auf die Stellungnahme angenommen wird.
Die Berechtigung, ein Urteil nach Ablauf dieser Zeitdauer fällen zu dürfen, bedeutet hingegen nicht, dass nach dem fraglichen Zeitpunkt – aber vor der Urteilsfällung – eintreffende Stellungnahmen generell infolge Verspätung nicht mehr zu berücksichtigen sind.17
3.1.3 Dupliknoven
Wenn mit der Duplik neue Tatsachenbehauptungen vorgebracht werden, sind diese umgehend zu bestreiten, sofern sie nicht anerkannt werden. Die Bestreitung einer neuen Tatsachenbehauptung ist wiederum als neue Tatsachenbehauptung zu werten, die, wenn sie erstmals vorgebracht wird oder der damit bestrittene Tatsachenvortrag erstmals vorgetragen wurde, nach erfolgtem Aktenschluss unter die Novenschranke fällt.18
Die Unterscheidung zwischen Noven- und Replikrecht ist mit Bezug auf Dupliknoven wichtig. Werden Dupliknoven unter dem Titel des ewigen Replikrechts zum Beispiel erst anlässlich der Hauptverhandlung statt innerhalb der strengen Novenfrist vogetragen, sind sie verspätet vorgebracht und somit nicht mehr zu berücksichtigen.
3.2 Hauptverhandlung
Vor einer Hauptverhandlung informiert der Vorsitzende die Parteien in der Regel darüber, dass der Aktenschluss erfolgt ist und daher grundsätzlich keine neuen Tatsachenbehauptungen und Beweismittel in den Prozess eingeführt werden können.
Rechtliche Ausführungen der Parteien anlässlich der Hauptverhandlung werden im Sinne von Artikel 235 Absatz 2 ZPO nicht protokolliert, gleich wie Ausführungen tatsächlicher Art, die bereits schriftlich dargelegt wurden. Die Parteivorträge sind kurz und prägnant zu halten, wobei für die ersten Vorträge praxisgemäss pro Partei höchstens je 20 Minuten Redezeit zur Verfügung steht, für eine Replik/Duplik gemäss Artikel 228 Absatz 2 ZPO weniger.
3.3 Beweisverfahren
Ein Beweismittel gilt nur dann als formgerecht angeboten, wenn sich die Beweisofferte eindeutig der damit zu beweisenden Tatsachenbehauptung zuordnen lässt und umgekehrt. In der Regel sind die einzelnen Beweisofferten unmittelbar im Anschluss an die Tatsachenbehauptungen aufzuführen, die damit bewiesen werden sollen.19
Beim Urkundenbeweis hat die Bezeichnung unter genauer Bezugnahme auf die Urkunde zu erfolgen. Ein pauschaler Verweis auf eine Urkundenansammlung oder eine umfangreiche Urkunde ist nicht zulässig. Vielmehr ist bei einem mehrseitigen Dokument im Sinne von Artikel 180 Absatz 2 ZPO die relevante Seite oder Stelle anzugeben.
Ein Editionsantrag muss hinreichend bestimmt sein. Für die herausgabepflichtige Person muss zweifelsfrei feststehen, welche Urkunden sie zu edieren hat. Ein Antrag auf Vorlage der «gesamten Korrespondenz» oder der «sämtlichen Geschäftsbücher» ist unzulässig.20
Die Einholung eines Gutachtens setzt voraus, dass die beweisführende Partei einzelne Tatsachen oder Indizien geltend macht, die dartun, dass die zu beweisende Tatsache erheblich ist und ohne Beizug eines Sachverständigen nicht abgeklärt werden kann.
1 Der vorliegende Beitrag basiert auf einem Vortrag anlässlich der Zivilrechtstagung des Europa-Instituts Zürich vom 28.3.2023.
2 Handelsgericht Zürich, Verfügung HG170204 vom 20.10.2017.
3 Handelsgericht Zürich, Beschluss HG200206 vom 23.12.2020; bestätigt durch BGer 4A_55/2021 vom
2.3.2021, E. 4.1.2.
4 BGer 4A_55/2021 vom 2.3.2021, E. 4.2.
5 Handelsgericht Zürich, Verfügung HG120210 vom 10.12.2012.
6 ZR 119/2020, Nr. 4.
7 BGE 143 III 297, E. 8.2.5.4.
8 BGE 147 III 345.
9 Vgl. etwa BGer 4A_455/2022 vom 26.1.2023; BGer 4A_200/2019 vom 17.6.2019.
10 Vgl. BGer 4A_415/2021 vom 18.3.2022, E. 5.4.3.
11 BGE 143 III 137; BGE 139 III 457.
12 BGE 142 III 788 ff.
13 BGE 138 III 471; BGE 140 III 155.
14 ZR 117/2018, Nr. 8.
15 ZR 113/2014, Nr. 46, S. 149 ff.; BGE 143 III 495 ff., E. 2.2.
16 ZR 116/2017, Nr. 52.
17 BGer 4A_61/2017 vom 31.8.2017, E. 6.2.2.
18 Vgl. BGE 147 III 475, E. 2.3.3.6.
19 BGer 5A_578/2021 vom 24.2.2022, E. 2.1.
20 BGer 4A_294/2020 vom 14.7.2021, E. 10.7; BGer 4A_565/2021 vom 21.12.2021, E. 4.2.