Zur Frage, was Anwaltskanzleien von Substituten erwarten, erscheinen in rechtlichen Fachzeitschriften immer wieder Artikel. Auch auf den Homepages der einzelnen Kanzleien ist ersichtlich, was künftige Praktikanten mitbringen müssen: nämlich einen sehr guten Hochschulabschluss, Fremdsprachenkenntnisse, Teamfähigkeit, Belastbarkeit und Eigeninitiative.
Kaum thematisiert wird, was sich potenzielle Substituten von ihrem Praktikum wünschen. plädoyer befragte deshalb verschiedene Masterstudenten. Für Deborah De Col aus Basel ist in einer Anwaltskanzlei vor allem die Tätigkeit in verschiedenen Rechtsgebieten wichtig. Die gleichen Präferenzen hat Eliane Braun von der Universität Bern: Sie wünscht sich insbesondere, sich neben zivilrechtlichen Fällen auch mit strafrechtlichen Fällen beschäftigen zu können, um für die Anwaltsprüfung möglichst gut vorbereitet zu sein.
Braun und De Col möchten ihr Praktikum bevorzugt in einer mittelgrossen Kanzlei mit fünf bis zehn Rechtsanwälten absolvieren. Dies wünscht sich auch Masterstudentin Fabienne Nufer von der Universität Luzern: «Ein persönlicher Umgang ist mir wichtig. Zudem will ich mich mit verschiedenen Spezialisten austauschen.» Die drei Masterstudentinnen hoffen zudem, kleinere Mandate selbständig führen zu können. «Nur so lernt man, Verantwortung zu übernehmen und eigenständig Lösungen zu erarbeiten», sagt Nufer. Allerdings wünsche sie sich ein regelmässiges Feedback durch die Rechtsanwälte. Braun ergänzt: «Bei Problemen und Fragen sollte ich mich an einen Rechtsanwalt der Kanzlei wenden können.»
Kommunikation mit Mandanten ist zentral
Einig sind sich die drei Studentinnen, dass sie bei allen Schritten einer Fallbearbeitung – vom Erstgespräch mit dem Klienten bis zu einer Gerichtsverhandlung – dabei sein und nicht bloss die Backoffice-Arbeit erledigen möchten. Sie wünschen sich im Praktikum explizit direkten Klientenkontakt. «Schliesslich ist es später als Anwältin zentral, mit seinen Klienten zu kommunizieren», erklärt Braun. Es sei daher sinnvoll, dies bereits während des Praktikums zu üben, fügt De Col hinzu.
Braun und De Col würden es sehr schätzen, während des Praktikums Gerichtserfahrung sammeln zu können und im Idealfall sogar die Gelegenheit zu erhalten, für ihre Klienten zu plädieren. «Ein Auftritt vor Gericht ist schliesslich Übungssache. Deshalb wäre es sicher bereichernd, bereits während des Praktikums erste Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln», sagt Braun.
Die drei Masterstudentinnen möchten ein einjähriges Praktikum absolvieren. Auch zum Lohn haben sie sich Gedanken gemacht: Sie fänden es schön, wenn sie sich mit ihrem Praktikumslohn selbst finanzieren könnten. Braun sagt aber klar: «Der Lohn ist mir weniger wichtig als die Qualität der praktischen Ausbildung.»
Vertretung vor Gericht durchaus möglich
Die drei Studentinnen haben Chancen, dass einige ihrer Wünsche erfüllt werden. Das zeigt das Resultat einer Befragung von Substituten, die das Praktikum hinter sich haben. Andri Gustin absolvierte es bei Kunz Schmid Rechtsanwälte und Notare in Chur, Rechtsanwältin Melanie Aebli bei Advocomplex in Bern. Beide wurden dabei in ganz verschiedenen Rechtsgebieten eingesetzt.
Aebli empfand die Zusammenarbeit mit den sieben Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten als sehr angenehm. «Ich konnte zwar keine Fälle selbständig führen. Mir wurde jedoch viel Raum gelassen, um an einem Fall selbständig zu arbeiten, mich einzubringen und eine Strategie zu entwickeln.» Sie hätte auch Klientenkontakt gehabt – «zur Hälfte mit und zur Hälfte ohne Unterstützung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt» – und Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vor Gericht begleitet.
Gustin bearbeitete die meisten Fälle zusammen mit einem Anwalt. Grundsätzlich bestehe aber die Möglichkeit, bereits viele Fälle in eigener Verantwortung zu führen und nur bei Klärungsbedarf Rücksprache mit dem betreuenden Rechtsanwalt zu nehmen. Gustin hatte viel Klientenkontakt. «In solchen Fällen ist man die erste Ansprechperson des Klienten und klärt viele Fragen allein. «Auch konnte ich teilweise mit Klienten vor das Vermittleramt und an Gerichtsverhandlungen gehen.» Das sei für die Zukunft eine sehr wertvolle Erfahrung.