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Plädoyer 02/2018
03.04.2018
Kurt Meier
Die Ankündigung der Zeitschrift «Bilanz» verursachte in Anwaltskreisen Aufruhr und Aufregung. Erstmals sollte eine Gold-, Silber- und Bronzemedaille für den billigsten Zürcher Anwalt oder die billigste Anwältin in den Bereichen Arbeits-, Haftpflicht- und Wirtschaftsrecht vergeben werden. Nach bewährter Methode wurden alle Kanzleien von der Redaktion angeschrieben mit der Bitte, bis Ende Monat den billigsten Kollegen oder die billigste Kollegin zu bezeichne...
Die Ankündigung der Zeitschrift «Bilanz» verursachte in Anwaltskreisen Aufruhr und Aufregung. Erstmals sollte eine Gold-, Silber- und Bronzemedaille für den billigsten Zürcher Anwalt oder die billigste Anwältin in den Bereichen Arbeits-, Haftpflicht- und Wirtschaftsrecht vergeben werden. Nach bewährter Methode wurden alle Kanzleien von der Redaktion angeschrieben mit der Bitte, bis Ende Monat den billigsten Kollegen oder die billigste Kollegin zu bezeichnen. Die Meistgenannten sollten dann mit den Medaillen, für die sie nur einen symbolischen Preis zwischen 5000 und 10 000 Franken bezahlen mussten, und einem Inserat in der Zeitschrift belohnt werden.
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Was für eine tolle und soziale Idee, dachte ich, und wollte schon den billigsten Wirtschaftsanwalt melden, als sich unerwartet mein Twitter-Account mit einem Gling meldete: «Hallo Kurt, kannst Du mich bitte gegenüber der ‹Bilanz› als den billigsten Anwalt im Arbeitsrecht angeben – ich würde Dir dafür 50 Franken pro verrechnete Anwaltsstunde vergüten!»
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Ich war noch mit der überschlagsmässigen Berechnung meines Verdienstes für diese Dienstleistung beschäftigt, als mir vier Kollegen und zwei Kolleginnen via Facebook bereits eine Beteiligung zwischen 100 und 400 Franken vorschlugen, wenn ich sie als billigste Wirtschaftsanwälte empfehle. Mein Gott, da kann ich meinen Kollegen ja locker 500 Franken bieten, wenn sie mich dafür als billigsten Arbeitsrechtler melden, dachte ich, und verschickte eine Massenmail mit diesem Angebot an alle mir bekannten Anwälte und Anwältinnen. Über Linkedin überbot mich darauf aber umgehend ein mir unbekannter Wirtschaftsanwalt mit 900 Franken. Ein Haftpflichtrechtler machte mir telefonisch sogar 950 Franken pro verrechnete Anwaltsstunde schmackhaft plus ein Essen in der Kronenhalle. Später wurden Geheimtreffen über das Darknet organisiert, wo die Angebote auf über 1000 Franken anstiegen.
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Ende November konnte die «Bilanz» dann endlich die aufgrund der objektiven und unabhängigen Befragung ermittelten Gewinner der Medaillen bekanntgeben. Als die Zeitschrift jedoch die Kosten für die Medaillen von den Gewinnern einfordern wollte, waren die alle zahlungsunfähig. Aus Homburger wurde ein Burger-King-Imbissstand. Ein anderes Büro wurde vom Zürcher Gastrounternehmer Bindella übernommen, der in den einstigen Kanzleilokalitäten das erste Fischrestaurant mit Vogelfleisch eröffnete. Kurz, die Zürcher Anwaltschaft hatte sich selber ruiniert und liquidiert.
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Etwa ein Jahr später wollte die «Bilanz» in einer breit angelegten Umfrage wissen, in welcher Stadt der Welt die Menschen am glücklichsten seien. Zur Überraschung aller schwang Zürich obenaus. Ein Institut der Universität fand den Grund rasch heraus: In Zürich gab es seit einem Jahr keine Anwälte mehr.