Tierische Hüter von Recht und Ordnung
Inhalt
Plädoyer 03/2022
23.05.2022
Letzte Aktualisierung:
12.10.2022
Benjamin Rothschild
Biologie und Astrologie sind für gewöhnlich nicht die Fachgebiete, die mit der Tätigkeit von Sondereinheiten der Polizei in Verbindung gebracht werden. Anders vor kurzem im Zürcher Stadtparlament: Dort kritisierte der grüne Gemeinderat Luca Maggi, dass die gerne martialisch auftretende Sondereinheit der Stadtpolizei nicht nur bei Geiselnahmen oder anderen Fällen von Schwerstkriminalität zum Einsatz kommt – sondern auch bei Demonstrationen od...
Biologie und Astrologie sind für gewöhnlich nicht die Fachgebiete, die mit der Tätigkeit von Sondereinheiten der Polizei in Verbindung gebracht werden. Anders vor kurzem im Zürcher Stadtparlament: Dort kritisierte der grüne Gemeinderat Luca Maggi, dass die gerne martialisch auftretende Sondereinheit der Stadtpolizei nicht nur bei Geiselnahmen oder anderen Fällen von Schwerstkriminalität zum Einsatz kommt – sondern auch bei Demonstrationen oder Sportanlässen. Maggi nahm bei dieser Gelegenheit auch am Namen der Einheit Anstoss. Sie heisst «Skorpion» – ein «Name, der auch für Motorräder, Kriegsschiffe, Jagdvereine oder Rockbands» gebraucht werde. Das sage viel über die Ausstrahlung der Einheit aus.
Die Kritik folgte postwendend: «Wir können ‹Skorpion› gerne in ‹Vrenelis Gärtli› umtaufen», spottete SVP-Gemeinderat Derek Richter. Und die FDP-Parlamentarierin Martina Zürcher meinte: «Ich habe andere Assoziationen mit dem Wort ‹Skorpion›. Für mich ist ein Skorpion ein Tier oder ein Sternzeichen.»
Tatsächlich ist der Skorpion ein Tier, in seiner Ausprägung als südafrikanischer Dickschwanzskorpion (Parabuthus transvaalicus) allerdings ein hochgiftiges. Für Kinder und ältere Menschen, aber auch für Erwachsene kann das Gift lebensbedrohlich sein. Und auf den einschlägigen Ranglisten der beliebtesten Sternzeichen belegen Skorpione stets den letzten Platz. Sie gelten als schwierig, eifersüchtig, manchmal gar aufbrausend oder rachsüchtig. Sind das Eigenschaften, die Angehörige einer polizeilichen Sondereinheit aufweisen sollen?
Ein Blick in die Restschweiz zeigt, dass die Spezialtrupps der Polizei nicht nur in Zürich Tiernamen tragen: In der Zentralschweiz gibt es die auch schon durch sehr ruppige Einsätze aufgefallene Sondereinheit «Luchs» – benannt nach der grössten Raubkatze Europas. Die Bundeskriminalpolizei hat ihrer Sondereinheit den Namen «Tigris» verliehen. Welche Aufgaben die Könige des Dschungels in der Schweiz konkret wahrnehmen, ist weitgehend unbekannt.
Nicht vom Urwald, sondern von der Unterwasserwelt hat man sich im Kanton Basel-Landschaft inspirieren lassen: Dessen polizeiliche Sondereinheit lautet auf den Namen «Barrakuda». Das ist ein tropischer Raubfisch, in manchen Gegenden mehr gefürchtet als ein Hai.
Einen Kontrapunkt setzt da die Berner Spezialeinheit «Enzian». Die blaue Alpenblume strahlt keinerlei Gefahr aus und wird mitunter gar zur Herstellung von Schnaps oder zur Gewinnung von Heilmitteln genutzt. In Bern ist eben sogar eine sonst als unzimperlich berüchtigte Sondereinheit der Polizei zumindest vordergründig um Gmögigkeit bemüht.