1. Wenn Kinder zum Zankapfel werden, bleibt immer das Kindeswohl auf der Strecke. Das gilt insbesondere für den Sorge- und Besuchsrechtsstreit. Als Anwalt sind Sie bestens geschult in der Schlichtung und im Erarbeiten einer gütlichen Regelung. Setzen Sie dies ein, suchen Sie den Dialog mit der anderen Partei. Das Kind wird es Ihnen danken.
2. Überlegen Sie sich gut, ob es ein Gutachten braucht. Meist kann ohne vertiefte psychologische Kenntnisse eine gute Lösung gefunden werden. Auch kann die Begutachtung für die Beteiligten zur Belastung werden. Es entstehen Kosten, und es gibt wenig qualifizierte Gutachter. Gutachten sind nur sinnvoll bei sehr komplexen Fragen, bei denen besonderer Sachverstand nötig ist. Dissens der Parteien ist allein kein Argument für ein Gutachten.
3. Gute Fragen sind zentral. Mit welchen Fragen können die wesentlichen Aspekte des Wohls des Kindes erfasst werden? Verstehen Sie sich bei der Formulierung von Fragen als Fürsprecher des Kindes. Helfen Sie ihrer Klientschaft, Fragen in diesem Sinn zu verstehen oder zu stellen. Gehen Sie dabei nicht ins Detail, die Sachverständigen werden die Fragestellungen herunterbrechen. Die Fragen sollen mit den Sachverständigen abgesprochen werden.
4. Die Qualität des Gutachtens steht und fällt mit der Qualifikation der Sachverständigen. Sie haben einen akademischen Abschluss in Psychologie und bringen langjährige entsprechende Erfahrungen aus anerkannten Institutionen mit. Auch Fachtitel, etwa der FSP, geben Orientierung. Der Auftraggeber prüft diese Voraussetzungen.
5. Ermutigen Sie Ihre Klientschaft zur Mitarbeit am Gutachten und weisen Sie diese auf ihre Mitwirkungspflicht hin (Artikel 448 ZGB). Kooperation ist die Chance, eigene Anliegen einzubringen. Wichtig ist auch, dass die Kinder partizipieren können. Besprechen Sie allfällige Bedenken und Ängste betreffend Gutachten mit Ihrer Mandantschaft. Diese darf bei Unklarheiten bei den Sachverständigen nachfragen.
6. Manchmal widersprechen die Wünsche der Eltern den Bedürfnissen und Interessen der Kinder. Gutachten dienen nie den Partikularinteressen der Eltern – sie werden für die Kinder geschrieben: Das Kindeswohl steht immer im Zentrum. Die Sachverständigen sind neutral gegenüber den Parteien, nehmen aber Partei für das Wohl des Kindes.
7. So prüfen Sie die Qualität des Gutachtens: Wird deutlich, dass der Prozess ergebnisoffen war? Ist die Faktenlage reichhaltig und gut dargestellt? Werden nachvollziehbare Schlüsse gezogen? Beruhen die Antworten auf die Fragen nicht auf Behauptungen, sondern auf nachgewiesenen Fakten und schlüssigen Überlegungen? Orientieren sich die Folgerungen am Kindeswohl? Sind sie zudem nie schematisch, sondern beziehen sich immer auf den vorliegenden Einzelfall?
8. Die Ergebnisse des Gutachtens können umstritten sein. Das liegt meist in der Natur der Sache und nicht am Gutachten selber. Helfen Sie Ihrer Klientschaft, diesen Umstand einzuordnen. Auch hier können Sie mediatorisch tätig sein. Allfällige Irritationen sollen in Kooperation mit dem Auftraggeber geklärt werden. Skandalisierung ist immer Eskalation: Den Preis dafür zahlen die Kinder. Wirken Sie hier mässigend.
9. Manchmal muss etwas zu einem Ende kommen. Seien Sie also zurückhaltend mit Ergänzungsfragen (Artikel 187 Absatz 4 ZPO). Prüfen Sie, ob die Antwort nicht schon im Gutachten enthalten ist. Ergänzungsfragen machen dann Sinn, wenn etwas unklar ist, etwas zu wenig berücksichtigt wurde oder sich Verhältnisse in der Zwischenzeit substanziell geändert haben. Es soll darauf verzichtet werden, wenn sie nur zu einer unnötigen Verlängerung eines Streits führen.