Seit Inkrafttreten des Haager Trust-Übereinkommens im Jahr 2007 werden ausländische Trusts in der Schweiz anerkannt. Die Schweiz selbst hat hingegen bis heute kein eigenes Trust-Recht. Im Parlament kam es seit 2016 zu drei Vorstössen, welche die Einführung eines Schweizer Trusts verlangten. Mit Hilfe einer Expertengruppe für Privatrecht und einer Arbeitsgruppe für Steuerrecht hat die Verwaltung einen Vorentwurf ausgearbeitet. Im Januar 2022 schickte ihn der Bundesrat mit einem erläuternden Bericht in die Vernehmlassung. Der Trust soll im Obligationenrecht (Artikel 529aff. nOR) eingefügt werden.
Der Trust ist ein Rechtsinstitut des Common Law. Der vorgeschlagene Trust soll die wesentlichen Merkmale eines Trusts nach angelsächsischem Recht haben. Es handelt sich weder um eine Rechtsperson noch um einen Vertrag, sondern um ein Rechtsinstitut sui generis, nämlich um die «Zuwidmung von Vermögenswerten durch einen oder mehrere Begünstigte zu einem Sondervermögen, das von einem oder mehreren Trustees im Interesse eines oder mehrerer Begünstigter gehalten und verwaltet wird». Der Trust kann durch schriftliche Erklärung oder durch Verfügung von Todes wegen errichtet werden. Dabei muss der Trustee seiner Ernennung schriftlich zustimmen und die zugewidmeten Vermögenswerte übertragen erhalten.
Wie die Vernehmlassung gezeigt hat, gibt es vielerlei Bedenken gegen eine Einführung. Das Verhältnis des schweizerischen Trusts zur Rechtskultur des Trusts in anderen Jurisdiktionen ist ungeklärt. Ein Einfluss von ausländischem, zum Teil jahrhundertealtem Trust-Recht wäre kaum zu vermeiden. Manche lehnen die Einführung eines schweizerischen Trusts daher grundsätzlich ab. Andere stören sich an den vorgesehenen steuerlichen Regelungen mit dem Risiko einer Mehrfachbesteuerung. Sie befürchten durch eine Verschlechterung der geltenden Rechtslage ein Eigentor, indem ausländische Trusts beeinträchtigt würden. Auch zivilrechtlich gibt der Vorentwurf Anlass zu Fragen, unter anderem zur Konkurrenzfähigkeit gegenüber ausländischen Trusts (etwa Haftung der Trustees nach den Vorschriften über die vertragliche Haftung gemäss den Artikeln 97 ff. OR) oder zum notwendigen Detaillierungsgrad der organisatorischen Bestimmungen.
Unterschiede zu den Schweizer Stiftungen
Die Anerkennung ausländischer Trusts hat keine nennenswerten Wirkungen auf die Schweizer Stiftungen ausgeübt. Es fragt sich nun aber, was die Einführung eines Schweizer Trusts für sie bedeuten würde. Gemäss dem Gesetzesentwurf können insbesondere folgende Unterschiede zur Stiftung hervorgehoben werden:
- Keine Rechtspersönlichkeit des Trusts: Der Trust wird wie eine Stiftung durch ein einseitiges Rechtsgeschäft errichtet. Dem Stifter entspricht der Begründer («settlor»). Ein wesentlicher rechtlicher Unterschied liegt darin, dass die Stiftung eine eigene Rechtsperson ist.
- Nicht alle Zwecke zulässig: Da der Vorentwurf keine Konkurrenz zur Stiftung schaffen will, schliesst er die Errichtung karitativer Trusts und anderer «purpose trusts» aus. Der Trust ist privatnützig. Sein Zweck ist einzig die finanzielle Begünstigung der Begünstigten. Anders als Stiftungen kann er nicht operativ tätig sein. Umgekehrt kann eine Stiftung nicht wie ein «private trust» oder ein «commercial trust» verwendet werden.
- Flexibler als Stiftung: Eine Stiftung kann so gestaltet werden, dass sie Merkmale eines Trusts erhält. Einmal errichtet, kann sie vom Stifter, den Organen oder den Begünstigten nicht widerrufen oder aufgehoben werden. Der Stifter kann sie aber befristen oder ihr die Unterstützung entziehen, indem er sie mit geringem Vermögen ausstattet und sie dann nicht mehr alimentiert, sodass sie mangels Vermögens aufgehoben werden muss. Ferner kann sich der Stifter eine Änderung des Zwecks der Stiftung oder der Organisation vorbehalten (Artikel 86a ZGB). Dennoch ist der Trust flexibler, insbesondere in Bezug auf die Begünstigung, die Begründerrechte, die Kompetenzen des Trustees oder die Änderung und Auflösung. Der Trust kann ohne Mitwirkung von Behörden jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Geht es um Vermögensstrukturierung und Nachlassplanung, müsste an den Trust, nicht an eine Stiftung gedacht werden.
- Begünstigte haben rechtliche Ansprüche: Die Stiftung ist nicht nur vom Stifter unabhängig, sondern auch von ihren Begünstigten (Destinatären). Sie haben keine besonderen gesetzlichen und meist keine statutorischen Rechte. Beim Trust haben die Begünstigten Rechte auf Leistungen oder Anwartschaften.
- Keine Publizitätspflicht: Für die Stiftung gelten Publizitätsvorschriften; sie wird im Handelsregister eingetragen. Für den Trust besteht keine solche Publizität.
Die Schnittmenge zwischen Trust und Stiftung ist klein. Gemeinnützige Stiftungen gehören nicht dazu. Die engste Verbindung besteht bei der Familienstiftung (Artikel 335 ZGB). Der dem kontinentalen Recht fremde Trust würde zu Rechtsunsicherheiten führen, die bei der etablierten Familienstiftung nicht bestehen.
Daher wird dafür plädiert, anstelle der Einführung eines schweizerischen Trusts endlich die Familienstiftung zu modifizieren und ihr zu einem breiteren Nutzen zu verhelfen. Der Bericht des Bundesrats verzichtet leider darauf, notabene mit einer haltlosen Begründung. Die Familienstiftung hat derzeit zwei Nachteile: Erstens ist ihre Besteuerung prohibitiv. Zweitens wurde sie von Gesetzgeber und Gerichtspraxis in eine Nischenposition versetzt, indem der Zweck eingegrenzt und Unterhaltsstiftungen verboten wurden. Tatsache ist, dass sich Zwecke des «family trust» mit der heutigen Schrumpfform der Familienstiftung nur beschränkt erreichen lassen. Nach der Einführung eines Trusts wäre die heutige Restriktion der Familienstiftung nicht mehr zu halten: Derselbe Gesetzgeber darf ihr nicht verbieten, was er dem Trust erlaubt.
Privatstiftung als Alternative zum Trust
Der Nachteil der Familienstiftung gegenüber einem Trust ist, dass man mit ihr halt nur eine Familie unterstützen kann. Daran würden auch eine Erweiterung der erlaubten Zwecke der Familienstiftung und eine Zulassung der Unterhaltsstiftung nichts ändern. Aus diesem Grund könnte die Einführung eines Trusts scheitern. Es sollte daher an die Schaffung eines allenfalls sondergesetzlich zu etablierenden Rechtsgefässes nach dem Muster der österreichischen Privatstiftung gedacht werden. Mit einer Privatstiftung könnte auch den Bedenken wegen etwaiger Missbräuche Rechnung getragen werden.