Nach dem gescheiterten Putschversuch von Mitte Juli sind in der Türkei 3390 Richter und Staatsanwälte entlassen und 2845 verhaftet worden. Ihnen wird  pauschal die Mitgliedschaft in der «terroristischen ­Organisation» von Fethullah Gülen vorgeworfen, ­einem in den USA lebenden geistlichen Führer. Die Richter und Staatsanwälte sollen eine «Gefahr für die nationale Sicherheit» darstellen. Bis heute liegen ­keine Informationen vor, nach welchen Kriterien die Leute verhaftet wurden, welche Fälle sie zum Beispiel vor ihrer Verhaftung an welchem Gericht betreuten. Die meisten nach dem Putschversuch vom 15. Juli ­erlassenen Regelungen der Regierung verletzen die türkische Verfassung und internationale Standards.

Auch Anwälte geraten laut Amnesty International zunehmend unter Druck. Ein Beispiel dafür ist der bekannte Menschen­rechtsanwalt und Journalist Orhan Kemal Cengiz. Er wurde – zusammen mit ­seiner Ehefrau – am 21. Juli am Flughafen Atatürk in Istanbul verhaftet, als er auf ­seinen Flug nach London wartete. Er wollte dort an einer Konferenz der Tahir-Elci-Stiftung – benannt nach dem im November 2015 in Diyarbakir ­erschossenen Menschenrechtsanwalt Tahir Elci – teilnehmen. Gleichentags wurden in ­Izmir, wo Cengiz lange als Anwalt und Menschen-rechts­verteidiger aktiv war, 11 andere ­Anwälte ver­haftet und 14 weitere zur Verhaftung ausgeschrieben.

Unter dem Ausnahmezustand sind die Rechte von Verhafteten stark eingeschränkt. Über die konkreten Haftbedingungen ist wenig bekannt. In der südost­anatolischen Stadt Diyarbakir etwa wurden 150 Richter, Staatsanwälte, Akademiker und Beamte in einer Basketballhalle festgehalten. Die Halle war überfüllt und überhitzt. Einige Verhaftete waren über 20 Tage in Haft, bevor sie einem Richter vorgeführt wurden. In den Zellen der Gefängnisse brennt Tag und Nacht das Licht, um die Gefangenen am Schlafen zu hindern.