Die Gleichstellung von Menschen mit einer Behinderung wird von den Kantonen immer wieder als grosses Anliegen bezeichnet. Ein Blick auf die Lehrveranstaltungen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten zeigt jedoch: Das Thema «Behindertengleichstellungsrecht» wird sehr ungleich gewertet.
Die Universität Basel bietet als einzige in der Schweiz eine Vorlesung zum Behindertengleichstellungsrecht an. Die Juristin Caroline Hess-Klein ist stellvertretende Geschäftsleiterin der Dachorganisation «Inclusion Handicap» und seit 2009 im Rahmen eines Lehrauftrags zuständig für die entsprechende Vorlesung.
Im ersten Jahr hätten nur drei Studenten die Vorlesung besucht, mittlerweile seien es bis zu 20. Hess-Klein legt in der Vorlesung Wert auf die rechtsvergleichende Analyse – vor allem mit den USA, Deutschland, Grossbritannien und der EU. Besondere Beachtung erhält die Uno-Behindertenrechtskonvention. Zudem lassen externe Referenten Beispiele aus der Schweizer Praxis einfliessen, etwa aus dem Bauwesen, dem öffentlichen Verkehr oder Fragen um den Arbeitsplatz. So stellte im Herbstsemester 2017 die Basler Grossrätin Nora Bertschi das Gesetzgebungsprojekt aus dem Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt vor. Der Zürcher Rechtsanwalt Martin Looser berichtete über einen 2017 am Kantonsgericht Appenzell Ausserrhoden für drei Behindertenorganisationen erfolgreich abgeschlossenen Fall «Bad Unterrechstein». Dabei ging es um den Ausschluss von Kindern mit geistiger und körperlicher Behinderung von einem öffentlich zugänglichen Heilbad.
Studenten haben die Möglichkeit, ein Praktikum im Behindertenrecht zu absolvieren. Es bietet Einsätze in der Bundesverwaltung, in der Privatwirtschaft sowie in Rechtsdiensten von Behindertenorganisationen und bald auch bei der Uno in Genf. Ein Beispiel dafür ist Dennis Kramer, der in der Zürcher Kanzlei Ettlersuter derzeit die Praxis der Kantone zu Fragen des Nachteilausgleichs im Schulbereich untersucht.
Nicht alle Unis gewichten das Thema gleich
An den Rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Bern, Luzern, Freiburg und Zürich widmet sich keine Lehrveranstaltung einzig dem Behindertengleichstellungsrecht. Die Uni Zürich behandelt das Thema immerhin im Rahmen der Bachelor-Vorlesung «Grundrechte». Das Thema werde aber auch in weiteren Lehrveranstaltungen thematisiert – etwa in der Master-Vorlesung zum Raumplanungs- und Baurecht.
Die Uni Luzern behandelt die wichtigen Rechtsgrundsätze im Zusammenhang mit dem Behindertengleichstellungsrecht etwa in der Vorlesung und den Übungen zu den Grundrechten – sowie den Mastervorlesungen zur Menschenrechtskonvention und zum Sozialversicherungsrecht. Auch in Bern wird das Thema im Rahmen der Vorlesung Grundrechte II behandelt – als Teil des Diskriminierungsschutzrechts.
In Freiburg wird das Thema in mehreren Veranstaltungen behandelt: beispielsweise im Rahmen der Lehrveranstaltungen «Droits fondamentaux», «Verfassungsrecht», «Droit international public», «Droit social», «Grundrechte» oder «Droit international et européen des droits de l’homme». Dort findet das Thema seinen Platz neben anderen Fragen der Gleichbehandlung, wie jener zur Gleichstellung der Geschlechter oder alter und junger Leute.
Dass es in Freiburg keinen besonderen Kurs zum Thema gibt, erklärt Staatsrechtlerin Eva Maria Belser so: «Unsere Fakultät hat sich entschieden, Generalistinnen und Generalisten auszubilden, die bis zum Master möglichst breit studieren.» Das habe viele Vorteile, weil allgemeinere Kurse es auch erlaubten, Themen wie Mehrfachdiskriminierung aufzunehmen, die eher auf der Strecke blieben, wenn die Kurse sehr fragmentiert seien. Zudem weist sie auf das Ascona-Seminar 2019 hin, das dem Thema «Niemand darf diskriminiert werden – Die Gleichstellung in all ihrer Vielfalt» gewidmet ist. Die Anmeldefrist dauert bis am 5. April. Die Teilnehmerzahl ist auf 25 begrenzt und Anmeldungen für das Seminar im Masterprogramm erhalten den Vorzug.