Staats-/Verwaltungsrecht
Die Bildungsdirektion des Kantons Zürich ist nicht legitimiert, gegen ein Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts zur Gewährung eines Stipendiums Beschwerde zu führen, da kein zentraler Aspekt des Stipendienwesens betroffen ist. Auch stehen keine über das rein Finanzielle hinausgehenden Interessen an der öffentlichen Aufgabenerfüllung zur Diskussion. Der Kanton Zürich hatte argumentiert, dass aufgrund eines Entscheides des Verwaltungsgerichts bei einem beträchtlichen Teil von Personen in Ausbildung entgegen der bisherigen Praxis keine Elternbeiträge mehr angerechnet werden dürften, was Mehrkosten von rund 3,8 Mio. Franken, möglicherweise gar bis zu 37 Mio.Franken pro Jahr zur Folge habe.
2C_798/2014 vom 21.2.2015
Die Radio- und TV-Empfangsgebühr kann weder als Regalabgabe (wie bisherige Rechtsprechung) noch als Gegenleistung für eine andere vom Bund erbrachte Dienstleistung betrachtet werden. Sie ist eine hoheitlich erhobene Abgabe, die der Bund einzieht, um damit gebührenfinanzierte Veranstalter – namentlich die SRG – unterstützen zu können. Damit ist sie eher als eine Zwecksteuer oder Abgabe sui generis zu qualifizieren.
2C_882/2014 vom 13.3.2015
In einem interessanten Urteilzur Grundstückgewinnsteuer und zum mehrmaligen, verschiedenartigen Steueraufschub geht es geht um Eheleute, die ihre Eigentumswohnung verkauften und im gleichen Ort im Kanton Zürich ein Mehrfamilienhaus erstellten. Zwei der der fünf Stockwerkeigentumswohnungen behielt das Ehepaar für sich. Die Steuerbehörden bejahten das Vorliegen einer steueraufschiebenden Ersatzbeschaffung. In der Folge übertrugen die Eltern die beiden Stockwerkeinheiten ihrer Tochter – Vorbezug auf Rechnung künftiger Erbschaft – und behielten die lebenslange Nutzniessung. Daraufhin widerrief die Gemeinde den Steueraufschub und belastete die Eheleute mit der Grundstückgewinnsteuer. Während die Zürcher Behörden auf der Bezahlung der Grundstückgewinnsteuer beharrten, kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass die latente Steuerlast auf die Tochter übergeht und erst dann zu besteuern ist, wenn sie die Wohnungen veräussert, ohne dass erneut ein Steueraufschubtatbestand vorliegt.
2C_583/2014 vom 9.2.2015
Zivilrecht
Gemäss Artikel 99 Abs. 1 lit. a ZPO hat eine klagende Partei auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie keinen Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz hat. Gemäss Art. 100 Abs. 1 ZPO ist diese Sicherheit in bar oder durch Garantie einer in der Schweiz niedergelassenen Bank oder einer Versicherung zu leisten. Laut Bundesgericht gilt eine Gegenforderung – beispielsweise zugesprochen bei einem andern Gerichtsverfahren – nicht als Sicherheitsleistung.
4A_46/2015 vom 27.3.2015
Strafrecht
Wer 16 Personen vorsätzlich mit dem HI-Virus infiziert, begeht nebst mehrfacher Verbreitung menschlicher Krankheiten eine mehrfache schwere Körperverletzung. Zwar hat das Bundesgericht im Jahre 2013 entschieden, dass eine durch ungeschützten Geschlechtsverkehr erfolgte HIV-Infizierung heutzutage aufgrund der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten als solche nicht mehr generell lebensgefährlich sei und insofern keine schwere Körperverletzung im Sinne von Artikel 122 Abs. 1 StGB vorliege. Offen gelassen hat es dabei jedoch die Frage, ob bei einer vorsätzlichen HIV-Infizierung eine schwere Körperverletzung im Sinne der Generalklausel von Art. 122. Abs. 3 vorliegen kann, die eine schwere Schädigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit des Opfers voraussetzt. Im konkreten Fall des «Heilers» von Bern bejaht dies das Bundesgericht. So zeigt ein medizinischer Expertenbericht, dass bei einer HIV-Infektion die Belastung für Körper und Psyche der Opfer auch heute noch sehr gross und die Krankheit als solche mit einer enormen Stigmatisierung verbunden ist. Zudem muss die antiretrovirale Therapie lebenslang eingenommen werden.
6B_768/2014 vom 24.3.2015
Es ist zulässig, das Honorar für amtliche Mandate im Vergleich zu jenem freier Mandate tiefer anzusetzen. Eine Verletzung des Willkürverbots – und mittelbar auch der Wirtschaftsfreiheit – liegt erst vor, wenn die zugesprochene Entschädigung die Selbstkosten nicht deckt und einen zwar bescheidenen, nicht aber bloss symbolischen Verdienst nicht zu gewährleisten vermag. Die Entschädigung eines amtlichen Anwalts muss sich in der Grössenordnung von 180 Franken pro Stunde (plus MwSt.) bewegen. Es ist zulässig, für das Anwaltshonorar Pauschalen vorzusehen. Pauschalen nach Rahmentarifen erweisen sich als verfassungswidrig, wenn sie auf die konkreten Verhältnisse in keiner Weise Rücksicht nehmen und im Einzelfall ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Rechtsanwalt geleisteten Diensten stehen.
6B_730/2014 vom 2.3.2015
Die Bundesanwaltschaft darf die Vermögenswerte, die aus dem Verkauf von Bankkundendaten durch einen kurz nach der Tat verstorbenen Mann an deutsche Steuerbehörden stammen, zuhanden des Bundes einziehen. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde der Eltern des Datendiebs abgewiesen. Die Einziehung von Vermögenswerten aus einer Straftat ist auch dann möglich, wenn der Urheber einer tatbestandsmässigen und rechtswidrigen Tat infolge Ablebens nicht bestraft werden kann. Die Einziehung – auch zulasten der Erben – ergibt sich aus dem Zweck der Massnahme, wonach sich strafbares Verhalten nicht lohnen darf.
6B_508/2014 vom 25.2.2015
Trotz der im November 2008 angenommenen Volksinitiative «für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern» bleibt eine behauptete Straftat an einem Mädchen ungesühnt. Eine Frau hatte 2010 gegenüber der Staatsanwaltschaft erklärt, sie habe im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren mehrfach sexuelle Übergriffe von ihrem Vater erlitten. Im Sommer 2010 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren infolge Verjährung ein. Damals gab es noch keine Ausführungsbestimmungen, diese traten erst Anfang 2013 in Kraft. Gestützt auf Art. 101 Abs. 1 lit. e StGB, wonach für gewisse Sexualstraftaten an Kindern unter zwölf Jahren keine Verjährung eintritt, verlangte die Frau die Wiederaufnahme des Verfahrens. Das Bundesgericht hat dies abgelehnt, weil eine rechtskräftige Einstellungsverfügung einem freisprechenden Endentscheid gleichkommt und Art. 11 StGB eine erneute Strafverfolgung verbietet.
6B_1085/2014 vom 10.2.2015
Eine Drohung in einem Facebook-Post gegenüber 290 Facebook-Freunden kann nicht als «Schreckung der Bevölkerung» bestraft werden. Der Freundes- und Bekanntenkreis im realen oder virtuellen Leben gilt nicht als «Bevölkerung». Unter dem Begriff «Bevölkerung» sind vielmehr die Bewohner eines bestimmten Gebietes zu verstehen oder die Gesamtheit der Personen, die sich gleichzeitig an einem bestimmten Ort befinden. Nicht zu entscheiden hatte das Bundesgericht die Frage, ob eine Äusserung gegenüber Facebook-Freunden als «öffentlich» oder als «privat» zu gelten hat. Der Begriff der Öffentlichkeit ist nicht mit dem Begriff der «Bevölkerung» gleichzusetzen.
6B_256/2014 vom 8.4.2015
Die systematische Durchführung von Leibesvisitationen bei Gefängnisinsassen nach Besucherkontakten ist menschenrechtskonform. Die Durchsuchungen sind aus Gründen der Sicherheit objektiv gerechtfertigt und stellen keine unmenschliche, erniedrigende oder gegen die Menschenwürde verstossende Behandlung dar. Dies gilt auch bei einem Gefangenen, der innerhalb eines Jahres 38 Mal gefilzt worden ist.
6B_14/2014 vom 07.04.2015
Sozialversicherungsrecht
Im Rahmen einer Tarifstreitigkeit zwischen einer Klinik, die eine ausserkantonale Patientin behandelt hat, und einer Krankenkasse hat das Bundesgericht entschieden, dass eine ausserkantonale Wahlbehandlung der Grundversorgung zuzurechnen ist und als Pflichtleistung der obligatorischen Krankenversicherung zu qualifizieren ist. Als solche untersteht die ausserkantonale Wahlbehandlung insofern dem Tarifschutz, als dafür höchstens der KVG-Tarif des Leistungserbringers verrechnet werden darf. Im konkreten Fall darf die Klinik der Krankenkasse nur die «Tagestaxe Allg.» in der Höhe von 369 Franken und nicht die «Tagestaxe AllgCH» im Betrag von 590 Franken in Rechnung stellen.
9C_96/2014 vom 25.3.2015
Der Umfang des Anspruchs auf unentgeltliche Verbeiständung richtet sich zunächst nach den Vorschriften des kantonalen Rechts. Erst wo sich der entsprechende Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die bundesverfassungsrechtlichen Minimalgarantien. Das kantonale Gericht ist bei der Bemessung der Entschädigung nicht an die allenfalls geltend gemachten Honoraransprüche gebunden, weshalb Art. 29 Abs. 2 BV nicht verletzt wird, wenn es auf die Einholung einer Kostennote verzichtet. Eine Begründungspflicht besteht dann, wenn der unentgeltliche Rechtsbeistand eine Kostennote einreicht und das Gericht die Entschädigung abweichend davon auf einen bestimmten, nicht der Praxis entsprechenden Betrag festsetzt. Akzeptiert das Gericht einzelne Posten aus der Kostennote, setzt aber andere herab, hat es zu jeder Reduktion zumindest kurz auszuführen, aus welchem konkreten Grund die Aufwendungen oder Auslagen als unnötig betrachtet werden.
8C_310/2014 vom 31.3.2015
Wer gewerbsmässig unter Einsatz erheblicher Mittel zu einem wesentlichen Teil Beteiligungen an verschiedenen ausländischen Personengesellschaften – sogenannte Limited Partnerships – investiert, die überdies zumindest teilweise einen engen Bezug zur Arbeitgeberfirma aufweisen, untersteht einer integralen AHV-Beitragspflicht. Solche Investitionstätigkeiten haben laut Urteil des Bundesgerichts offensichtlich gewerblichen Charakter.
9C_765/2014 vom 23.3.2015
Die Basler Spitäler sind nach der Umwandlung von einer Dienststelle des Kantons in eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Kantons nicht frei, ihr Personal bei einer Unfallversicherung ihrer Wahl zu versichern. Laut Bundesgericht gelten sie trotz der rechtlichen Umgestaltung und der Erweiterung des Autonomiebereichs nicht als neu geschaffene Verwaltungs- und Betriebseinheiten und müssen ihr Personal weiterhin bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt versichern.
8C_600/2014 vom 27.3.2014