Staats- und Verwaltungsrecht
Die Zusicherung der Anonymität gegenüber Polizisten in einem gegen sie geführten Strafverfahren (wegen Gefahr für Leib und Leben, Art. 149 Abs. 2 StPO) muss die Ultima Ratio darstellen. Sie wird zwei Aargauer Polizisten gegenüber dem von ihnen angeschossenen Mann verwehrt, da keine ernsthaften Anzeichen für eine Gefährdung der Polizisten bei Bekanntwerden ihrer Namen bestehen.
1B_49/2013 vom 10.10.2013
In einer «Arena»-Sendung (im April 2012) zum Thema des bedingungslosen Grundeinkommens durften frauenspezifische Fragen ausgeklammert werden, ohne dass dadurch das Gebot der Sachgerechtigkeit (Art. 4 RTVG) verletzt worden wäre (Aufhebung des anderslautenden UBI-Entscheides). Bei Diskussionssendungen liegt es auf der Hand, dass nicht alle wesentlichen Aspekte behandelt werden können. Sendungen im Stil der «Arena» wären sonst gar nicht mehr möglich.
2C_321/2013 vom 11.10.2013
Zivilrecht
Im Verfahren betreffend die Einrede des fehlenden neuen Vermögens nach Art. 265a Abs. 1 SchKG ist der Schuldner und nicht der betreibende Gläubiger kostenvorschusspflichtig (Art. 98 ZPO).
5A_295/2013 vom 17.10.2013
Strafrecht
Aus dem blossen Umstand, dass die beschuldigte Person im Berufungsverfahren ihren Freispruch verlangt, darf nicht geschlossen werden, dass nur noch Rechtsfragen zur Debatte stehen und das Verfahren demnach schriftlich durchgeführt werden kann (Art. 406 Abs. 1 lit. a StPO).
6B_419/2013 vom 26.9.2013
Die lebenslange Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1bis StGB kommt nur in Betracht, wenn der Täter als lebenslang nicht therapierbar erachtet wird. Die «dauerhafte» Untherapierbarkeit setzt einen nicht veränderbaren, chronischen Zustand voraus. Eine bloss auf mehrere Jahrzehnte eingeschätzte Untherapierbarkeit genügt nicht.
6B_93/2013 vom 22.11.2013
Wer als Bezüger einer IV-Rente oder anderer Versicherungsleistungen eine spätere Verbesserung seines Gesundheitszustandes nicht meldet, begeht damit keinen Betrug (Art. 146 StGB). Eine Verletzung der entsprechenden vertraglichen oder gesetzlichen Meldepflicht begründet keine für den Betrug durch Unterlassen erforderliche Garantenstellung des Versicherten.
6B_750/2012 vom 12.11.2013
Das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) erlaubt Urteilserwägungen, in denen die rechtliche Qualifikation einer Tat strenger ausfällt – aber nur solange sich dies im Dispositiv nicht in einem schärferen Schuldspruch oder einer härteren Strafe niederschlägt.
6B_712/2012 vom 26.9.2013
Der amtliche Verteidiger hat auch bei Freispruch der vertretenen Person oder bei Verfahrenseinstellung keinen ungekürzten Honoraranspruch (Art. 135 StPO).
6B_151/2013 vom 26.9.2013
Sozialversicherungsrecht
Der Unterstützungswohnsitz für Nothilfebezüger im Kanton St. Gallen ergibt sich aus dem Zuweisungsentscheid der kantonalen Behörde und nicht aus dem effektiven Aufenthalt der betroffenen Person.
8C_299/2013 vom 23.10.2013
Die vorübergehende Weigerung einer IV-Bezügerin zur Teilnahme an einer revisionsweisen interdisziplinären Neubegutachtung durch die Unfallversicherung rechtfertigt keine definitive Streichung ihrer Komplementär-Rente (Art. 43 Abs. 3 ATSG). Vielmehr muss das eingeleitete Revisionsverfahren nach Eingang der Bereitschaftserklärung fortgeführt werden.
8C_481/2013 vom 7.11.2013
Der Versicherungsschutz der beruflichen Vorsorge (hier Invalidenrente) für Arbeitslose beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem die Bedingungen für den Bezug von Taggeldern erfüllt sind und nicht mit ihrer allenfalls erst späteren Ausrichtung.
9C_337/2013 vom 12.11.2013
Die Unterbringung weggewiesener Asylbewerber in einer Zivilschutzanlage (im Rahmen der Nothilfe) verstösst weder gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 7 und 12 BV, Art. 3 EMRK) noch gegen das Gebot auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK). Das gilt laut Bundesgericht zumindest im konkreten Fall eines 34 Jahre alten, gesunden und alleinstehenden Mannes.
8C_912/2012 vom 22.11.2013
Entschädigungen der Arbeitslosenkasse, die parallel zu Unfalltaggeldern ausgerichtet wurden, sind bei späterer Zusprechung einer IV-Rente für die Berechnung einer allfälligen Überentschädigung (Art. 69 ATSG) zu berücksichtigen. Eine Nichtberücksichtigung käme einer Benachteiligung von Personen gleich, die ihre Restarbeitsfähigkeit tatsächlich verwertet haben, da bei ihnen das erzielte Resteinkommen angerechnet wird.
8C_138/2013 vom 22.10.2013
Die Beiträge der Arbeitslosenkasse für Wochenaufenthalter (Art. 68 AVIG, Pauschalentschädigung für auswärtige Unterkunft, Mehrkosten bei der Verpflegung und Fahrkosten während maximal sechs Monaten innerhalb der Rahmenfrist) können in der Regel lediglich einmal beansprucht werden. Diese zeitlich begrenzte Unterstützungshilfe ist für den Entscheid zu nutzen, am zukünftigen Arbeitsort einen neuen Wohnsitz zu begründen oder dann am bisherigen Wohnort eine neue Beschäftigung zu suchen.
8C_21/2013 vom 30.10.2013
Spezialisierte Berufsleute dürfen die Stellensuche während laufender Kündigungsfrist vorerst auf das bisherige Tätigkeitsfeld konzentrieren (mit Blick auf genügende Arbeitsbemühungen bezüglich einer späteren Arbeitslosenentschädigung). Die Beschränkung auf das angestammte Berufsfeld ist allerdings nur dann erlaubt, wenn entsprechende Stellen überhaupt angeboten werden.
8C_278/2013 vom 22.10.2013
Stipendien müssen bei der Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen auch dann unberücksichtigt bleiben, wenn sie zur Deckung des Lebensunterhalts ausgerichtet werden (Art. 11 ELG). Hätte der Gesetzgeber einen entsprechenden Vorbehalt anbringen wollen, wäre dies im Gesetz explizit zu formulieren gewesen.
9C_249/2013 vom 21.10.2013
Der weitgehende Ausschluss von IV-Neurenten und die erleichterte Revision bestehender Renten für Personen mit organisch nicht nachweisbaren Störungen (somatoforme Schmerzstörungen, Schleudertraumata u.a.) stellen keine verfassungswidrige Diskriminierung dar. Für die unterschiedliche Behandlung gegenüber Personen mit körperlich nachweisbaren Beeinträchtigungen besteht mit der Objektivierbarkeit der Störung ein sachlicher Grund.
8C_972/2012 vom 31.10.2013
pj