Was macht eigentlich Margrith Bigler-Eggenberger?
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Plädoyer 06/2021
30.11.2021
Letzte Aktualisierung:
02.12.2021
Gjon David
Die ehemalige Bundesrichterin öffnet bestens gelaunt und mit breitem Lächeln ihre Haustür und witzelt sogleich: «Sie können die Maske abnehmen, so nahe werden wir uns schon nicht kommen.» Ganz recht wird sie damit nicht haben: Zwar macht die 88-Jährige einen wachen und enorm fitten Eindruck. Aber das Gehör hat über die Jahre dann doch etwas nachgelassen und wir können die eineinhalb Meter Abstand nicht ganz einhalten.
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Die ehemalige Bundesrichterin öffnet bestens gelaunt und mit breitem Lächeln ihre Haustür und witzelt sogleich: «Sie können die Maske abnehmen, so nahe werden wir uns schon nicht kommen.» Ganz recht wird sie damit nicht haben: Zwar macht die 88-Jährige einen wachen und enorm fitten Eindruck. Aber das Gehör hat über die Jahre dann doch etwas nachgelassen und wir können die eineinhalb Meter Abstand nicht ganz einhalten.
Die Juristin ist in ihrer Wohnung hoch oben über der Stadt St. Gallen umgeben von vielen Fotos, Ölbildern und vor allem Büchern. «Ich bin in einem Alter, wo alles Erlebte weit weg liegt und künftige Wünsche enorm reduziert werden. Aber die Erinnerungen bleiben.» Und diese wirkten manchmal so stark, «dass sie meinen ganzen Tag erfüllen». Und Margrith Bigler-Eggenberger hat schon innerhalb ihrer beruflichen Karriere einiges erlebt: Vor mehr als 45 Jahren wurde sie als erste Frau zur Bundesrichterin gewählt. «Eine Mörderin ins Bundesgericht», titelte damals die Tageszeitung «Die Ostschweiz». Der Grund: Margrith Bigler-Eggenberger hatte sich in öffentlichen Vorträgen positiv zum straffreien Schwangerschaftsabbruch geäussert.
Die Juristin kann heute einzig lächelnd den Kopf schütteln über diese «schwierige Zeit». «Ich hätte viel lieber in der Staats- und Verwaltungsrechtlichen Abteilung gearbeitet, wie sie damals hiess. Ich war ja als Ersatzrichterin da schon tätig und zudem hatte ich mich Jahre zuvor darauf spezialisiert. Aber ich musste dann doch dort hingehen, wo Frauen hingehören, nämlich ins Familienrecht.» 17 Jahre lang blieb sie die einzige Bundesrichterin in der Schweiz. Heute lebe sie unbeschwert und «einfach in den Tag hinein», sagt Bigler-Eggenberger. Sie lese auch sehr viel. Die englischen Kriminalromane haben es ihr besonders angetan. Und immer öfter spiele sie wieder Klavier. «Am liebsten die Sonaten von Joseph Haydn.»