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Die Zürcher Anwältin Ursula Kohlbacher hat sich vor zehn Jahren pensioniert, ist heute 79 Jahre alt – und noch kein bisschen müde: «Ich bin glücklich, dass ich den Rentneralltag gesund und mit viel Erfreulichem verbringen kann», sagt sie. Ganz von der Arbeit kann sie aber nicht lassen. So dient ihr Esstisch bisweilen auch als Arbeitstisch. «Manchmal sitzen mir Leute – auch Asylsuchende und Flüchtlinge – gegenüber, die sich von einer Behörde schikanös behandelt fühlen oder unverständliche Briefe erhalten.» Dann helfe sie mit Ratschlägen oder mit einem Brief. «Und in krassen Fällen oder bei unerträglich ungerecht empfundenen Praktiken verteidige ich sie mit juristischen Mitteln.»
Das Fundament für ihre Anwaltstätigkeit legte Kohlbacher mit ihrer preisgekrönten Dissertation beim berühmten Strafrechtler Peter Noll. Titel des Grundlagenwerks: «Verteidigung und Verteidigungsrechte unter dem Aspekt der Waffengleichheit». Als die Anwältin 1989 von den Grünen im Kantonsrat als Ersatzrichterin für das Kassationsgericht vorgeschlagen wurde, opponierte die rechte Ratsseite: Kohlbacher sei zwar eine hervorragende Strafverteidigerin.
Aber sie würde sich viel zu einseitig zugunsten der Beschuldigten einsetzen. Und weil sie schon als Auditorin am Bezirksgericht Zürich oft die Strafurteile der Richter kritisierte, hielt der Gerichtspräsident in der Personalakte fest: «Frau Kohlbacher hat ein Übermass an Skepsis gegenüber der Strafjustiz bekundet.» Das sei heute noch so, sagt die 79-Jährige.
Kohlbacher wusste schon früh, dass sie Anwältin werden wollte. Doch der Berufswunsch erfüllte sich erst auf den zweiten Bildungsweg. Zuvor war sie in einer Anwaltskanzlei als Sekretärin tätig. Der frühere Rechtsanwalt und Ständerat Eduard Zellweger motivierte sie fürs Jus-Studium und half der 32-Jährigen, Stipendien zu erhalten. Als Rechtsanwältin praktizierte Kohlbacher ab 1983 vorab in den Gebieten Strafrecht, Asyl- und Ausländerrecht sowie Familienrecht. 1989 bis 2004 war sie Kassationsrichterin.
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