Beim Bundesgericht gingen vor drei Jahren 101 von 8024 Beschwerden elektronisch ein. Vor zwei Jahren waren es 178 von 8027 und im vergangenen Jahr 239 von insgesamt 7392 Beschwerden. Das sind nur 3,2 Prozent aller Rechtsmittel, Tendenz leicht steigend.
Auch bei den kantonalen Gerichten sind digitale Eingaben selten. Am Berner Obergericht zum Beispiel wurden im vergangenen Jahr von 3075 Verfahren 133 mit einer elektronischen Eingabe eingeleitet (4,3 Prozent). Das Glarner Obergericht verzeichnete vergangenes Jahr bei gesamthaft 89 Verfahren in geschätzt 4 oder 5 Verfahren elektronische Eingaben.
Anwälte können ihre Eingaben ans Gericht seit 2011 elektronisch übermitteln. Ein gewöhnliches E-Mail reicht jedoch nicht. Gemäss Zivilprozessordnung muss die Eingabe mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein. Statt die ausgedruckte Eingabe zu unterschreiben, versieht man die entsprechende Datei mit der elektronischen Signatur.
Bund hat kostenlose Lösung abgeschaltet
Eine qualifizierte elektronische Signatur bestätigt die Identität der Person, die das Dokument signiert hat, und gibt an, ob der Inhalt unverändert geblieben ist. Bis vor kurzem stellte der Bund die kostenlose Software Open Local Signer zur Verfügung. Inzwischen ist es in der Regel aber kostenpflichtig, Eingaben ans Gericht elektronisch zu signieren.
Dazu wendet man sich in einem ersten Schritt an eine der zahlreichen Firmen, die einen E-Signatur-Service verkaufen. Einige rechnen pro signiertes Dokument ab, andere verkaufen Pakete für mehrere Dokumente oder bieten eine Pauschale mit unbegrenzter Anzahl an (siehe «Kosten für E-Signatur von Dokumenten» im PDF). Welches Angebot sich am ehesten lohnt, hängt von der Anzahl Dokumente ab, die man signiert. Für Wenignutzer lohnt sich Skribble. Hier kann ein Anwalt pro Monat kostenlos zwei Dokumente signieren. Für jedes zusätzliche Dokument zahlt man Fr. 3.25. Die monatliche Obergrenze liegt bei 42 Franken und 15 Dokumenten. Und mit dem Modell Skribble Business zahlt eine Kanzlei mit beispielsweise fünf Nutzern pro Jahr 1280 Franken.
Um eine qualifizierte elektronische Signatur zu erhalten, muss man in einem zweiten Schritt eine Bestätigung der eigenen Identität einholen. Bei wem, bestimmt der E-Signatur-Anbieter. Bei Skribble oder Esignr etwa erfolgt diese Überprüfung kostenlos in einer Swisscom-Filiale. Möglich ist auch eine Identifikation übers Internet, diese kostet bei Swisscom rund 20 bis 35 Franken. Swiss-ID hingegen verlangt weder für die Identitätsprüfung über die App noch vor Ort etwas. Bei den meisten Anbietern muss man das Dokument für die Signatur übers Internet auf eine Signaturplattform hochladen. Anders ist das etwa bei Esignr und Privasphere; Das Dokument bleibt auf dem Computer der Kanzlei. Auf der Website des Bundes Validator.admin.ch lässt sich überprüfen, ob eine Signatur gültig ist.
Trotz qualifizierter elektronischer Signatur kann man das Dokument nicht direkt per Mail verschicken. Denn Eingaben ans Gericht sind gemäss der Verordnung über die elektronische Übermittlung im Rahmen von Zivil- und Strafprozessen über eine anerkannte Zustellplattform einzureichen. Aktuell gibt es nur zwei davon: Incamail der Schweizerischen Post und Privasphere der Zürcher Privasphere AG. Bei Incamail zahlt eine Kanzlei 99 Franken pro Jahr. Bei Privasphere gibt es ein Prepaid- und ein Abomodell (siehe «Kosten für Zustellung der signierten Dokumente» im PDF).
Die Eingaben ans Gericht sind als «E-Gov-Einschreiben» zu verschicken. Ist die Eingabe bei der Plattform eingetroffen, erhält der Absender per E-Mail eine digital signierte Abgabequittung. Sie belegt, dass die Eingabe rechtzeitig erfolgt ist. Die Behörde hat sieben Tage Zeit, die Nachricht zu öffnen. Der Absender erhält normalerweise eine Abholquittung. Hat der Empfänger die Nachricht innert Frist nicht geöffnet, erhält er eine Verfallquittung. Lehnt der Empfänger die Annahme ab, erhält der Absender eine Annahmeverweigerungsquittung.
Weiterhin Tücken beim elektronischen Versand
Der Zürcher Anwalt Martin Steiger verwendet regelmässig digitale Eingaben. Zu Beginn seien diese allerdings bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften zum Teil gar nicht beachtet worden, sagt er. Auch heute ist noch Sand im Getriebe. Steiger: «Hängt man zum Beispiel bei Incamail die Beilagen zuerst an und adressiert das E-Mail erst danach, verschwindet der Anhang.» Zudem sei der elektronische Rechtsverkehr nach wie vor eine Einbahnstrasse: Die Behörden könnten mit dem Einverständnis der betroffenen Person zwar elektronisch antworten, die meisten sehen jedoch davon ab und wählen weiterhin den Postweg.
So funktioniert der E-Versand
- Eingabe wie gewohnt erstellen und als PDF speichern. Das ist bei Word im Druckermenü möglich: Datei -> Drucken... -> PDF -> Als PDF sichern.
- Beilagen einscannen und ebenfalls als PDF sichern.
- Beide PDF-Dokumente qualifiziert elektronisch signieren.
- Auf der Internetseite Validator.admin.ch überprüfen, ob die E-Signatur gültig ist.
- Das PDF über Incamail oder Privasphere als E-Gov-Einschreiben an die Behörde versenden. Ein Verzeichnis mit den E-Mail-Adressen ist zu finden auf Ch.ch/ejustice.
- Versand dokumentieren (Aufgabequittung ablegen).
- Abholung überprüfen (Abholquittung ablegen).