Wer von einer Schikanebetreibung betroffen ist, kann sich nun besser wehren. Drei Monate nach erhobenem Rechtsvorschlag kann man vom Betreibungsamt verlangen, dass es die Betreibung Drittpersonen nicht mehr bekanntgibt (siehe Kasten).
Eine Betreibung bleibt fünf Jahre im Betreibungsregister sichtbar und kann dort von Dritten eingesehen werden. In den letzten fünf Jahren wurden in der Schweiz laut Bundesamt für Statistik pro Jahr knapp drei Millionen Zahlungsbefehle zugestellt. In rund zehn Prozent der Fälle wurde Rechtsvorschlag erhoben. Das ergibt 1,5 Millionen Betreibungen, gegen die sich Betriebene mit dem neuen Verfahren wehren könnten.
Doch die erwartete Flut von Gesuchen ist ausgeblieben. Das ergab eine Umfrage der Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» über das erste Halbjahr bei Betreibungsämtern in der Deutschschweiz und in der Romandie («K-Tipp» 14/2019).
Im ersten Halbjahr nur rund 8000 Gesuche
In der Stadt Zürich gingen bei allen zwölf Betreibungsämtern total 425 Gesuche ein – bei über einer halben Million Betreibungen in den vergangenen fünf Jahren. Beim Betreibungsamt Bern-Mittelland verlangten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres nur 155 Betroffene die Löschung – bei fast 120 000 Betreibungen im Jahr 2018. Und selbst beim Betreibungsamt Genf mit den meisten Betreibungen (280000 pro Jahr) wurden lediglich 761 Löschungsgesuche gestellt.
Hochgerechnet auf alle rund 500 Betreibungsämter in der Schweiz, ergibt dies 8000 eingereichte Gesuche im ersten Halbjahr. Wie viele dieser Gesuche bewilligt oder abgelehnt wurden, ist nicht bekannt.
Gegen einen Ablehnungsentscheid kann man sich mit der betreibungsrechtlichen Beschwerde wehren. Dazu führte plädoyer Anfang September eine Umfrage bei allen 58 Gerichten durch, die in der Deutschschweiz für SchKG-Beschwerden zuständig sind. Insgesamt sind bisher total
16 Beschwerden eingegangen. Neun davon alleine bei fünf Bezirksgerichten im Kanton Zürich (Bülach, Dietikon, Meilen, Pfäffikon und Zürich). Am Kantonsgericht Basel-Landschaft und am Zuger Obergericht wurden je zwei Beschwerden erhoben. Die restlichen drei Verfahren verteilen sich auf die Bezirksgerichte Aarau, Luzern und Weinfelden TG. Die anderen 48 Gerichte wurden bisher von Beschwerdefällen verschont.
Erstes Verfahren am Bundesgericht hängig
Bereits ist ein Verfahren aus dem Kanton Zürich am Bundesgericht hängig (Prozess-Nr. 5A_656/2019). Darin geht es um die strittige Frage, ob eine Betreibung auch dann nicht an Dritte bekanntgegeben wird, wenn der Gläubiger ein Rechtsöffnungsverfahren einleitete, in dem er unterlag. Das Gesetz beantwortet diese Frage nicht.
Das Betreibungsamt Küsnacht-Zollikon-Zumikon hatte das Gesuch einer Schuldnerin um Nichtbekanntgabe in einem solchen Fall mit der Begründung abgelehnt, dass der Ausgang des Rechtsöffnungsverfahrens nicht relevant sei. Entscheidend sei, dass der Gläubiger ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages eingeleitet habe. Der Ablehnungsentscheid wurde im anschliessenden Beschwerdeverfahren vom Bezirksgericht Meilen und am 6. August 2019 vom Zürcher Obergericht geschützt (Prozess-Nr. PS190085).
Sechs umstrittene Punkte kristallisieren sich heraus
In den anderen Beschwerdefällen ging es um folgende Fragen:
Kein Rechtsvorschlag: Im Jahr 2017 wurde ein Schuldner aus Zürich betrieben. Er erhob keinen Rechtsvorschlag. Die Betreibung wurde nie fortgesetzt. Dennoch wies das Betreibungsamt Zürich 2 sein Gesuch um Nichtbekanntgabe ab. Begründung: Der Schuldner habe durch Nichterhebung des Rechtsvorschlags zu erkennen gegeben, dass er die Forderung nicht bestreite. Das Bezirksgericht Zürich wies am 16. Mai 2019 die dagegen erhobene Beschwerde ab (Prozess-Nr. CB190069).
Teilrechtsvorschlag: Ein Schuldner erhob nur gegen einen Teil der betriebenen Forderung Rechtsvorschlag. Sein Gesuch um Nichtbekanntgabe wurde vom Betreibungsamt Luzern abgewiesen, weil das neue Verfahren bei einem Teilrechtsvorschlag nicht anwendbar sei. Das Bezirksgericht Luzern war derselben Meinung und wies die dagegen erhobene Beschwerde am 15. März 2019 ab (Prozess-Nr. 3E1 19 3).
Hauptforderung vor Betreibung bezahlt: Ein Schuldner aus Zürich wurde für eine Forderung betrieben, die er vor Einleitung der Betreibung bezahlt hatte. Er erhob Rechtsvorschlag und verlangte später, dass die Betreibung Dritten nicht bekanntgegeben werde. Das Betreibungsamt Zürich 7 lehnte das Gesuch ab. Das Bezirksgericht Zürich war anderer Meinung und hiess die Beschwerde am 27. August 2019 gut. Begründung: «Eine Betreibung ist ungerechtfertigt, wenn sie für eine Schuld erfolgt, die der Schuldner bereits vor Einleitung der Betreibung bezahlt hat.» Ein Gesuch um Nichtbekanntgabe sei nur dann abzulehnen, wenn die Forderung nach Einleitung der Betreibung bezahlt werde (Prozess-Nr. CB190077).
Rechtsöffnungsverfahren noch hängig: Ein Gläubiger stellte in einer Betreibung ein Gesuch um provisorische Rechtsöffnung, das vom Gericht am 16. Juli 2019 abgelehnt wurde. Drei Tage später verlangte der Schuldner die Nichtbekanntgabe der gegen ihn eingeleiteten Betreibung. Darauf reichte der Gläubiger am 26. Juli 2019 Beschwerde gegen den abgelehnten Rechtsöffnungsentscheid ein. Wegen dieses hängigen Rechtsöffnungsverfahrens vor Obergericht wies das Betreibungsamt das Gesuch des Schuldners ab. Das Bezirksgericht Dietikon schützte den Entscheid und wies die dagegen erhobene Beschwerde des Schuldners am 20. August 2019 ab (Prozess-Nr. CB190011).
Gleich entschied das Bezirksgericht Bülach am 10. April 2019 in einem ähnlichen Fall. Das Betreibungsamt Rafzerfeld hatte das Gesuch um Nichtbekanntgabe einer Betreibung abgewiesen, weil zum Zeitpunkt des Entscheids ein Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichter Rafz hängig war (Prozess-Nr. CB190013).
Nachträgliche Bezahlung der Forderung: Im Jahr 2017 erhob eine Schuldnerin gegen eine Betreibung Rechtsvorschlag. Anfang 2019 verlangte sie die Nichtbekanntgabe der Betreibung. In seiner Stellungnahme an das Betreibungsamt erklärte der Gläubiger per Fax und später mündlich am Telefon, dass die Forderung bar bezahlt worden sei. Darauf wies das Betreibungsamt Rafzerfeld das Gesuch der Schuldnerin wegen Bezahlung der Forderung ab. Dagegen wehrte sich die Schuldnerin mit einer Beschwerde, weil sie die Forderung bestreite und daher auch nicht bezahlt habe. Das Bezirksgericht Bülach gab der Schuldnerin am 12. April 2019 Recht. Es wies die Sache an das Betreibungsamt zurück, weil nicht «klar ist, dass die Schuldnerin die betriebene Schuld bezahlt hat». Das Betreibungsamt müsse abklären, ob die Schuld tatsächlich bezahlt worden sei (Prozess-Nr. 190014).
Beschwerdelegitimation des Gläubigers: Ein Zürcher Betreibungsamt hiess das Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung eines Schuldners gut. Dagegen erhob die Gläubigerin Beschwerde. Das Bezirksgericht Meilen trat am 27. Mai 2019 auf die Beschwerde nicht ein. Begründung: «Die Gläubigerin kennt die von ihr selber eingeleitete Betreibung.» Sie erleide daher durch den Entscheid des Betreibungsamtes keinen Nachteil und sei somit zur Beschwerde nicht legitimiert (Prozess-Nr. CB190010).
Gleich entschied das Zuger Obergericht. Die betreibende Person sei nicht Partei des Verfahrens der Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte. «Sie hat keinen Anspruch darauf, dass ihre Betreibung bei der betriebenen Person im Register aufgeführt wird», hielt das Obergericht am 3. April 2019 fest (Prozess-Nr. BA 2019 5).
Die Bezirksgerichte Pfäffikon und Aarau und das Zuger Obergericht konnten insgesamt vier Beschwerdeverfahren als gegenstandslos geworden abschreiben. Die Verfahren erledigten sich von selbst, weil die involvierten Betreibungsämter die Gesuche um Nichtbekanntgabe während des Beschwerdeverfahrens doch noch bewilligten.
Am Kantonsgericht Basel-Landschaft sind zwei Beschwerden und am Bezirksgericht Weinfelden ist eine hängig, über die noch nicht entschieden wurde.
Der neue Artikel 8a im SchKG
«Die Ämter geben Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis, wenn der Schuldner nach Ablauf einer Frist von drei Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch gestellt hat, sofern der Gläubiger nach Ablauf einer vom Betreibungsamt angesetzten Frist von
20 Tagen den Nachweis nicht erbringt, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages (Artikel 79–84) eingeleitet wurde; wird dieser Nachweis nachträglich erbracht oder wird die Betreibung fortgesetzt, wird sie Dritten wieder zur Kenntnis gebracht.»
SVP-Politiker fordern mehr Schutz für Schuldner
Gleich zwei SVP-Nationalräte aus der Romandie machen sich für die Rechte der Schuldner stark. Im März forderte der Waadtländer Michaël Buffat mit einer Motion, dass eine betriebene und vom Schuldner bezahlte Forderung automatisch aus dem Betreibungsregister gelöscht wird. Der Nationalrat hat die Motion noch nicht behandelt. Dafür nahm er Mitte September eine Motion von Jean-Luc Addor an. Der Walliser verlangt eine neue Strafbestimmung für böswillige Betreibungen. Die Motion wurde vom Ständerat als Zweitrat noch nicht behandelt.