plädoyer: Wer unrechtmässig einen Schaden verursacht, soll ihn ersetzen. Dieser Grundsatz gilt sowohl in der Schweiz wie im Ausland. Weshalb braucht es eine Initiative, welche die Verantwortung von Konzernen neu regelt?
Franz Werro: Es gibt heute keine Norm, welche die Haftung einer Schweizer Muttergesellschaft für ihre Tochter regelt, die im Ausland einen Schaden verursacht. Dies würde sich mit der Annahme der Konzernverantwortungsinitiative ändern. Sie sieht eine Haftung vor, die von der Geschäftsherrenhaftung von Artikel 55 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) inspiriert ist.
Karl Hofstetter: Das schweizerische Recht sieht bereits jetzt genügend Möglichkeiten vor, um im Ausland geschehenes Unrecht in der Schweiz zu korrigieren. In den meisten Fällen ist dies jedoch nicht notwendig, da sich das Unrecht im Ausland korrigieren lässt. Die schweizerische Muttergesellschaft sollte nur subsidiär am Sitz in der Schweiz haften müssen, wenn es nicht möglich ist, die Tochtergesellschaft im Ausland einzuklagen. In 99 Prozent der Fälle ist dies jedoch möglich – und geschieht selbst in Entwicklungsländern.
plädoyer: Können Sie ein Beispiel nennen?
Hofstetter: In Brasilien ereignete sich im Januar 2019 ein grosser Dammunfall mit über 200 Toten. Dort laufen auf allen Ebenen straf- und zivilrechtliche Verfahren. Dies primär gegen den brasilianischen Konzern Vale, eines der grössten Bergbauunternehmen der Welt mit einer Niederlassung in der Schweiz. Auch bei der Katastrophe von 1984 im indischen Bhopal erstritten die Kläger vor Ort 500 Millionen Dollar Schadenersatz gegen Union Carbide, nachdem amerikanische Gerichte die Klage gegen die US-Mutterfirma nicht anhand nahmen. Die Initiative berücksichtigt überhaupt nicht, dass die Gerichtsverfahren meist vor Ort stattfinden können. Sie will die Schweiz zum Weltgerichtshof für schweizerische Konzerne machen.
Werro: Tatsächlich lässt sich Unrecht in vielen Fällen im Ausland korrigieren. Ist dies jedoch nicht möglich, sollte die Schweizer Muttergesellschaft, die eine Tochtergesellschaft kontrolliert und auch von deren Geschäften profitiert, in der Schweiz haften. Es geht um gravierende Tatbestände wie Umweltstandards und Menschenrechte. Wer im Ausland Geld verdient, der trägt auch eine Verantwortung für die dortigen Verhältnisse.
plädoyer: Weshalb wehren sich Schweizer Unternehmen trotzdem gegen die Initiative?
Hofstetter: Weil die Haftungsgrundlage in der Initiative uferlos ist. Damit besteht ein grosses Missbrauchspotenzial durch die internationale Klageindustrie und durch Nichtregierungsorganisationen, die politische Schauprozesse gegen Schweizer Konzerne veranstalten möchten. Konzerne können so unter Druck gesetzt werden und in einen Vergleich einwilligen, um Reputationsschäden zu vermeiden.
Werro: Die Schweiz wird bei einer Annahme der Initiative nicht zum Eldorado für Klagen. Prozesse sind aufgrund des schweizerischen Verfahrensrechts unattraktiv. Ich verstehe die Angst der Unternehmen nicht, in der Schweiz eingeklagt zu werden. Im Gegenteil: Als Unternehmer sollte mir daran gelegen sein, dass ich in der Schweiz eingeklagt werde. Es geht im Endeffekt darum, dass man eine Sorgfalt, die in der Schweiz von der Beklagten wahrgenommen werden sollte, nach schweizerischen Vorstellungen in der Schweiz überprüft. Die Schweizer Gerichte sind auch fachlich qualifiziert. Im Übrigen ist es das Problem der Kläger, ein schweizerisches Gericht über die ausländischen Verhältnisse zu informieren und die Voraussetzungen der Haftung zu beweisen.
plädoyer: Herr Hofstetter, was stört Sie konkret an der Initiative?
Hofstetter: Erstens geht der Katalog von Menschenrechten und Umweltschutzbestimmungen viel zu weit. Zweitens würde die Haftung auf Lieferanten und andere Geschäftspartner ausgedehnt. Konzernmütter könnten damit sogar für Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung eines Gastlands verantwortlich gemacht werden, falls ihre Töchter mit dieser in Geschäftsbeziehungen standen. Drittens enthält die Initiative eine Beweislastumkehr zulasten von Muttergesellschaften in Bezug auf deren Haftung für Töchter und andere Geschäftspartner, die der Konzern kontrollierte. Dies führt dazu, dass Muttergesellschaften für Vorkommnisse haften müssten, die jenseits der Vorhersehbarkeit liegen.
Werro: Es stimmt nicht, dass auch die Lieferanten einbezogen werden. Es geht um Konzernhaftung, das heisst um eine Haftung, die nur die im Konzern kontrollierten Unternehmen betrifft.
plädoyer: Gemäss Initiative müssten Unternehmen international anerkannte Menschenrechte und Umweltstandards einhalten. An Grundrechte ist traditionellerweise jedoch nur der Staat gebunden, nicht jedoch eine Firma. Sollen Menschenrechte auch für Unternehmen gelten?
Werro: Ja, auch Unternehmen müssen Menschenrechte einhalten. Das ist in der Wissenschaft mittlerweile anerkannt.
Hofstetter: Die in der Initiative vorgesehenen Sorgfaltspflichten der Konzerne und folglich auch ihre potenzielle Haftung bezieht sich auf alle Geschäftspartner. Der Rechtskatalog, der in der Initiative genannt ist, umfasst zudem auch Menschenrechte, die sich nur an den Staat richten. Unternehmen sollten aber nur für Menschenrechte verantwortlich sein, die sich an sie richten.
Werro: Bei einer Annahme der Initiative könnte es im Parlament zu einer Debatte kommen, welches die relevanten Menschenrechte sind. Das Parlament kann diese im Gesetz definieren und auch deren Grenzen. Die Schweizer Gerichte müssten die Anwendungen konkretisieren.
Hofstetter: Die Initiative geht so weit, dass der Gesetzgeber versucht sein könnte, bei deren Annahme nachträglich Einschränkungen vorzunehmen. Damit würde er sich, wie schon bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative – staatspolitisch problematisch – nicht an die Vorgaben der Initiative halten. Der Wortlaut der Initiative verpflichtet die Unternehmen aber zur Respektierung aller international anerkannten Menschenrechte und Umweltstandards, das heisst auch solcher, welche die Schweiz nicht ratifizierte. Würde die Initiative so umgesetzt, gäbe die Schweiz diesbezüglich ihr demokratisches Gesetzgebungsverfahren an internationale Organisationen ab.
Werro: Unbestimmte Rechtsbegriffe wie international anerkannte Menschenrechte und Umweltstandards könnten im schweizerischen Gesetz präzisiert werden.
Hofstetter: Die Menschenrechte unterscheiden sich je nach Rechtssystem. Sie sollten nur im jeweiligen Hoheitsgebiet gelten. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sollte – entgegen dem Initiativtext – beispielsweise in Saudiarabien oder Südafrika nicht anwendbar sein, genauso wie die Europäische Sozialcharta. Letztere wurde auch in der Schweiz schon verschiedene Male abgelehnt, über die Initiative könnte sie nun aber für Schweizer Unternehmen verbindlich werden. Deshalb spreche ich von einem uferlosen Rechtskatalog.
Werro: Die Standards, deren Einhaltung die Initiative verlangt, sind nach schweizerischem Recht und deshalb auch EMRK-konform auszulegen. Dies hat nichts mit einer uferlosen Unterstellung des schweizerischen Richters unter fremdes Recht zu tun. Schweizer Unternehmen sollen im Ausland Schweizer Rechtsstandards einhalten – und es wird ihnen nichts passieren.
Hofstetter: Menschenrechtsverletzungen werden meist durch Staaten begangen. Schweizer Unternehmen sollen nun vor Schweizer Gerichten dafür verantwortlich gemacht werden, dass sie in einem Land tätig waren, in dem die Menschenrechte verletzt wurden. Dies ist eine der grossen Gefahren der Initiative.
plädoyer: Kann ein Unternehmen Maschinen nach Saudiarabien liefern und trotzdem Menschenrechte einhalten?
Werro: Das ist schwierig. Aber wenn Saudiarabien Menschenrechtsverletzungen begeht, sollen Schweizer Unternehmen davon nicht profitieren können.
Hofstetter: Unternehmen und Private, die in Entwicklungsländern investieren, sind hauptverantwortlich dafür, dass diese Länder gegenüber den Industrienationen gewaltig aufholen. Sie schaffen damit unter anderem Arbeitsplätze. Es ist falsch, dass Unternehmen für Verletzungen haften sollen, die durch ausländische Regierungen begangen wurden. Das Haftungsrecht kann nicht alle politischen Probleme lösen. Es sollte sich auf schwerwiegende Fälle konzentrieren, in denen die Unternehmen eine direkte Verantwortung trifft. Die Haftung muss beschränkt werden auf das, was ein Konzern realistischerweise unter Kontrolle hat. Dies ist mit der Initiative aber gerade nicht der Fall.
plädoyer: Stellen auch das Gleichbehandlungsgebot oder die religiöse Freiheit einklagbare Menschenrechte gemäss Initiative dar? Könnte zum Beispiel eine Frau in der Schweiz klagen, weil eine Transportfirma sie in Ungarn wegen dem Kopftuch entlässt, das sie aus religiösen Gründen trägt?
Werro: Handelt die Firma aus hinreichenden Gründen, fehlt es an der Widerrechtlichkeit. Die Klägerin muss nachweisen, dass die Kündigung ihre Rechte verletzt. Das Opfer muss übrigens seinen Sach- oder Körperschaden beweisen können.
Hofstetter: Die Widerrechtlichkeit besteht diesfalls in der Diskriminierung. Und die Klägerin hat einen wirtschaftlichen Schaden. Dies reicht für die Haftung. Es besteht die Gefahr, dass es zu einer Klage in der Schweiz kommt, selbst wenn das Transportunternehmen nur ein Geschäftspartner des Konzerns war.
Werro: Die Haftung gilt laut Initiative nur für Geschäftspartner im Konzern, welche vom Schweizer Unternehmen kontrolliert werden. Diese haben nämlich so zu handeln, wie es ihnen die Muttergesellschaft vorgibt. Daher sollte die Muttergesellschaft auch für die Rechtsverletzungen im Ausland haften.
plädoyer: Führt die Initiative tatsächlich zu einer Umkehr der Beweislast, wie die Gegner behaupten?
Werro: Nein, vorgesehen ist eine Haftung für die widerrechtliche Handlung einer kontrollierten Person. Im Einklang mit allen Normen, die eine solche Haftung im heutigen schweizerischen Recht vorsehen, darf sich die Beklagte von der Haftung befreien, wenn sie nachweist, dass sie die gebotene Sorgfalt beachtet hat. Das ist keine Umkehr der Beweislast. Das ist ein Geschenk für die Beklagte, die befreit wird, obwohl die Grundvoraussetzungen der Haftung gegeben sind. Die Initiative sieht eine Haftung für Sorgfaltspflichtverletzungen der Muttergesellschaft vor.
Hofstetter: Faktisch handelt es sich um eine Beweislastumkehr. Der Standard im Haftpflichtrecht ist, dass man dem Beklagten den Schaden, die Widerrechtlichkeit, einen Kausalzusammenhang und das Verschulden nachweisen muss. Gemäss der Initiative muss der Kläger nur nachweisen, dass zum Beispiel die Tochtergesellschaft eine Widerrechtlichkeit begangen hat, eine Schädigung vorliegt und zwischen beiden ein Kausalzusammenhang besteht. Damit hat die Muttergesellschaft noch gar nichts falsch gemacht. Ihr selbst wird direkt nichts vorgeworfen. Die Muttergesellschaft muss nun aber trotzdem aufzeigen, dass sie ihrerseits alles richtig gemacht hat. Damit erfolgt klar eine Verschiebung der Beweislast.
Werro: Hat ein Angestellter einen Schaden verursacht, muss der Kläger beweisen, dass der Angestellte den Schaden widerrechtlich kausal verursacht hat. Wurde dies alles bewiesen, kann der Arbeitgeber sich von der Haftung befreien, wenn er nachweist, dass er sich richtig verhalten hat. Es ist daher falsch, im Zusammenhang mit der Initiative von einer Beweislastumkehr zu sprechen. Vielmehr besteht eine Exkulpationsmöglichkeit für die Muttergesellschaft. Dies ist im Einklang mit der schweizerischen Rechtsordnung. Die Initiative ist kein Fremdkörper im System.
plädoyer: Kann sich eine Schweizer Muttergesellschaft nicht problemlos exkulpieren, wenn sie den jährlichen Rechenschaftsbericht gemäss Initiative vorlegt?
Hofstetter: Die Vorlage eines generellen Rechenschaftsberichts wird kaum reichen. Die Gefahr besteht, dass die Muttergesellschaft für viel mehr haftet, als sie unter Kontrolle hat. Sie sollte aber nur für das haften müssen, was sie in irgendeiner Weise kontrollieren kann. Dies ist bei der Initiative gerade nicht der Fall.
plädoyer: Wo sehen Sie die Grenze der Verantwortung von Unternehmen?
Hofstetter: Verantwortung setzt nicht erst bei der Haftung ein. In den letzten Jahrzehnten wurde in den Konzernen die Legal Compliance massiv ausgebaut. Diese ist das wichtigste Instrument, um Unternehmensverantwortung zu realisieren. Legal Compliance bedeutet, dass man im Konzern eine Organisation aufbaut, Massnahmen umsetzt und die nötige Anzahl Leute bereitstellt, die dafür schauen, dass im eigenen Unternehmen überall die anwendbaren Gesetze eingehalten werden. Und zwar nicht nur die Schweizer Gesetze, sondern auch die Gesetze in Gastländern. Heute arbeiten bei Schweizer Konzernen Hunderte von Mitarbeitern in diesem Bereich.
Werro: Trotz Compliance blieben Menschenrechte und Umweltstandards oft auf der Strecke.
Hofstetter: Der Gegenvorschlag verpflichtet die Unternehmen zu einem Compliance-System in Bezug auf Kinderarbeit und Konfliktmineralien. Dies ist in Artikel 964sexies des Gegenvorschlags geregelt. Dieser stellt in Sachen Unternehmensverantwortung einen Riesenfortschritt dar. Er geht viel weiter als in anderen Ländern – zum Beispiel auch weiter als das vielgepriesene französische Loi de vigilance. Dieses sieht bloss vor, dass Unternehmen einen eigenen, unspezifizierten Sorgfaltsplan für die Respektierung von Menschenrechten erstellen. Bei der Haftung wird nur auf das allgemeine Haftungsrecht verwiesen.
plädoyer: Schafft der Gegenvorschlag eine Haftungsgrundlage?
Werro: Nein, im Gegenvorschlag selbst gibt es keine Haftungsregelung. Dieser sieht nämlich nicht vor, wer haften muss und nach welchen Voraussetzungen. Die allgemeine Haftungsnorm nach Artikel 41 OR und die Geschäftsherrenhaftung nach Artikel 55 OR genügen nicht. Damit eine Haftungsgrundlage vorliegt, muss es eine Bestimmung geben, die besagt, dass die Person, welche die Bestimmung verletzt, zur Haftung gezogen wird. Für eine Haftung für die widerrechtliche Handlung einer kontrollierten Gesellschaft braucht es eine spezifische Haftungsnorm. Artikel 55 OR genügt in diesem Zusammenhang nicht, auch wenn gerade die Idee dieser Bestimmung für Konzernverhältnisse übernommen werden soll. Es kommt noch dazu, dass die Verletzung einer Verhaltensnorm an sich noch keine Widerrechtlichkeit begründet.
Hofstetter: Doch, es ist eindeutig. Bei der Widerrechtlichkeit gibt es zwei Theorien, das Erfolgs- und das Verhaltensunrecht. Im Unterlassungsbereich gilt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung das Verhaltensunrecht. Hat man wie beim Gegenvorschlag eine Legal-Compliance-Verpflichtung des Mutterkonzerns, ist klar, dass es eine Garantenpflicht gibt. Wird diese verletzt, ist auch eine Schutznorm verletzt. Damit ist die Haftung gegeben.
plädoyer: Der Gegenvorschlag sieht Massnahmen gegen Kinderarbeit vor. Müssten Schweizer Konzerne bei einer Verletzung dieser Bestimmungen haften?
Hofstetter: Ja. Der Gegenvorschlag schreibt spezifische Sorgfaltspflichten für Kinderarbeit und Konfliktmaterialien vor. Die beiden Pflichten richten sich direkt an diejenigen Unternehmen, die deren Einhaltung kontrollieren müssen. Mit diesen Sorgfaltspflichten für Kinderarbeit ist eine Haftung der Unternehmen in der Schweiz möglich.
Werro: Mich stört es, dass sich der Gegenentwurf nur auf die Kinderarbeit konzentriert, anstatt auch an die Sklavenhaltung von Erwachsenen zu denken. In Grossbritannien gibt es den «UK Modern Slavery Act», der dies berücksichtigt.
Hofstetter: Bei diesem Gesetz geht es nur um Berichterstattungspflichten im Zusammenhang mit Zwangsarbeit. Berichterstattungspflichten sind im Gegenvorschlag zur Initiative auch vorgesehen. Deren Verletzung führt aber nirgends per se zu einer Haftung.
plädoyer: Wie könnte man auch Erwachsene besser vor Ausbeutung schützen?
Hofstetter: Man könnte sich gegebenenfalls überlegen, zusätzliche Sorgfaltspflichten zu schaffen. Mit dem Gegenvorschlag haben wir aber einen sehr guten ersten Schritt, der auch ins europäische Umfeld passt.
Werro: Die Schweiz könnte mit gutem Beispiel vorangehen und auch die Sklaverei jetzt schon sanktionieren. So hätte sie eine Vorbildfunktion für andere Länder.
Franz Werro, 63, Professor für Haftpflicht- und Vertragsrecht an der Universität Freiburg und am Georgetown University Law Center in Washington, D.C., USA.
Karl Hofstetter, 64, Titularprofessor für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich. Bis Juni 2020 Präsident des Wirtschaftsverbands Swissholdings und 25 Jahre Chefjurist des Liftkonzerns Schindler.
Die Initiative und der Gegenvorschlag
Am 29. November 2020 stimmt die Schweiz über die Konzernverantwortungsinitiative ab. Wird diese abgelehnt, tritt automatisch der Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft, wenn dagegen kein Referendum ergriffen wird.
Der Initiativtext sieht einen neuen Artkel 101a Bundesverfassung vor. Dieser verpflichtet Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, «auch im Ausland die international anerkannten Menschenrechte sowie die internationalen Umweltstandards zu respektieren». Die Unternehmen müssen geeignete Massnahmen ergreifen, um solche Verletzungen auch bei Tochtergesellschaften und Geschäftspartnern zu vermeiden. Die Unternehmen haften für den Schaden,
den durch sie kontrollierte Gesellschaften aufgrund der Verletzung von international anerkannten Menschenrechten oder internationalen Umweltstandards verursachen. Die Schweizer Konzerne haften nicht, wenn sie nachweisen, mit aller gebotenen Vorsicht gehandelt zu haben.
Der Gegenvorschlag der Bundesversammlung will sechs neue Artikel im Obligationenrecht (OR) einführen. Die Artikel 964bis ff. OR verpflichten Unternehmen, jährlich einen Bericht über nichtfinanzielle Belange auch über kontrollierte Unternehmen im Ausland zu erstellen. Die Pflicht gilt für Unternehmen ab 500 Stellen und einem gewissen Umsatz. Der Bericht muss über Umweltbelange, Menschenrechte und Korruption Rechenschaft ablegen. Wer mit risikobelasteten Metallen handelt oder in einer Branche mit begründetem Verdacht auf Kinderarbeit tätig ist, muss zudem Sorgfaltspflichten einhalten. Bei einer Pflichtverletzung droht eine Busse bis zu 100 000 Franken und bei Fahrlässigkeit bis zu 50 000 Franken.