Zivilrecht
Eine Bank hatte mit einem Kunden einen Anlageberatungsvertrag abgeschlossen, wobei der Kunde einverstanden war, dass die Bank Transaktionen unter Vorbehalt nachträglicher Genehmigung ausführen kann. Tätigt die Bank Transaktionen, für die der Kunde keine nachträgliche Genehmigung erteilt hat, stellt sich bei einem Verlust die Frage des Schadenersatzes. Bei pflichtwidrig ausgeführten Transaktionen muss der Kunde beweisen, welcher Schaden aus den einzelnen Transaktionen resultiert. Eine Schätzung des Schadens aufgrund des Verlustes auf dem Gesamtportfolio, wie es das Handelsgericht Zürich tat, ist unzulässig.
4A_586/2017 vom 16.4.2018
Gemäss Artikel 715a OR kann jedes Mitglied des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft einfordern. Ausserhalb von Sitzungen können dessen Mitglieder verlangen, über den Geschäftsgang informiert zu werden. Soweit nötig, kann jedes Mitglied dem Präsidenten beantragen, dass ihm Bücher und Akten vorgelegt werden. In einem Grundsatzurteil hat das Bundesgericht nun entschieden, dass Verwaltungsräte dieses gesetzliche Informationsrecht auch gerichtlich – im summarischen Verfahren – durchsetzen können.
4A_364/2017 vom 28.2.2018
Vor drei Jahren stellte die Swatch Group die Belieferung von Grosshändlern mit Ersatzteilen für Uhren der Swatch Group ein. Dies behagte einem englischen Unternehmen nicht; es verlangte die Wiederaufnahme der Belieferung und drohte mit einer Klage. Um sich für den bevorstehenden Rechtsstreit einen Gerichtsstand in der Schweiz zu sichern, reichte die Swatch Group beim Handelsgericht des Kantons Bern eine Klage ein, mit welcher sie festgestellt haben wollte, dass sie nicht zur Belieferung des englischen Unternehmens verpflichtet ist. In Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesgericht entschieden, dass die Absicht einer Partei, sich im internationalen Verhältnis für einen bevorstehenden Rechtsstreit einen Gerichtsstand in der Schweiz zu sichern, als genügendes Rechtsschutzinteresse für eine negative Feststellungsklage zu erachten ist.
4A_417/2017 vom 14.3.2018
Strafrecht
Bei der Erstellung eines (psychiatrischen) Gutachtens muss der Gutachter den Auftrag persönlich ausführen; eine Delegation der gutachterlichen Kernaufgaben ist unzulässig. Zulässig ist es hingegen, Hilfspersonen beizuziehen oder in Zusammenarbeit ein Gutachten zu erstellen, wie dies in Art. 184 Abs. 2 lit. b und in Art. 187 Abs. 1 StPO vorgesehen ist. Im konkreten Fall ist noch knapp für zulässig erklärt worden, dass ein Gutachter an der persönlichen Untersuchung der betroffenen Person nur eine halbe von insgesamt 4¾ Stunden teilgenommen hatte.
6B_835/2017 vom 22.3.2018
Nach einem Freispruch wegen Urkundendelikten und Verstössen gegen das Ausländergesetz sprach das Gericht einer Person 13 284 Franken Entschädigung zu. Als sein Anwalt den Betrag auf sein Konto erbat, verwies die zuständige Behörde auf ein früheres Strafverfahren und pochte auf Verrechnung. Sie überwies abzüglich Geldstrafe und Kosten lediglich 6704 Franken. Das Bundesgericht hat dieses Vorgehen geschützt und entschieden, dass Art. 442 Abs. 4 StPO einer Verrechnung nicht entgegensteht, obschon diese Bestimmung dem Wortlaut nach Verrechnungen nur bei Forderungen «aus dem gleichen Strafverfahren» zulässt.
6B_956/2017 vom 18.4.2018
Kann eine Person, die in einem getrennt geführten Verfahren rechtskräftig verurteilt wurde, im späteren Verfahren gegen einen Tatbeteiligten zum selben Sachverhalt Zeugnis ablegen? Jein, meint das Bundesgericht: Demnach kann eine Person, die in einem getrennten Verfahren für die abzuklärende Tat oder eine damit im Zusammenhang stehende Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, in analoger Anwendung von Art. 162 ff. StPO als Zeuge einvernommen werden. Bestehen jedoch im Einzelfall Anhaltspunkte dafür, dass die Person über ihre Verurteilung hinaus als Täter oder Teilnehmer der abzuklärenden oder einer konnexen Straftat nicht ausgeschlossen werden kann, so ist sie gestützt auf Art. 178 lit. d StPO als Auskunftsperson einzuvernehmen.
6B_171/2017 vom 15.2.2018
Sozialversicherungsrecht
Der Bundesrat darf sich bei einer Anpassung der Tarmed-Tarifstruktur von politischen Anliegen leiten lassen und Taxpunkte linear kürzen. Im konkreten Fall hatte er eine neue Tarifposition für hausärztliche Tätigkeit eingeführt und die Taxpunkte im Hinblick auf die Förderung der Hausarztmedizin in Teilbereichen linear um 8,5 Prozent gesenkt. Das KVG enthält keine klaren Vorgaben zum Inhalt der Anpassung durch den Bundesrat bzw. zum konkreten Vorgehen. Scheitern die Anpassungsbemühungen der Tarifpartner, kann der Bundesrat eingreifen. Ihm steht ein grosser Ermessensspielraum zu.
9C_476/2017 vom 29.3.2018