Staats-/Verwaltungsrecht
Bei Einkäufen in die Pensionskasse bestimmt das Gesetz in Art. 79b Abs.1, dass nach Einkäufen die daraus resultierenden Leistungen innerhalb der nächsten drei Jahre nicht als Kapitalform aus der Vorsorge zurückgezogen werden dürfen. Von dieser Begrenzung ausgeschlossen sind jedoch Wiedereinkäufe im Fall einer Ehescheidung. Im vorliegenden Fall erhielt ein Mann kurz vor seiner Pensionierung und 14 Jahre nach seiner Scheidung von seiner Mutter ein Darlehen und zahlte es in die Pensionskasse ein. Das Bundesgericht stuft dies als missbräuchliche Steuerminimierung ein.
2C_966/2015 vom 18.7.2016
Im Zuge einer Strafanzeige des Vereins «Bruno-Manser-Fonds» im Zusammenhang mit einem Bestechungsfall in Malaysia (Tropenholz) liess die Bundesanwaltschaft bei der Grossbank UBS eine Hausdurchsuchung vornehmen. Dabei wurde ein Memorandum beschlagnahmt und auf Verlangen der UBS versiegelt, das die Bank zuvor zum fraglichen Sachverhalt auf Anfrage der Finma erstellt hatte. Nun hat das Bundesgericht die Entsiegelung des Memorandums und die Verwendung durch die Bundesanwaltschaft bewilligt. Der Entsiegelung stünden keine Geheimnisinteressen der UBS entgegen.
1B_249/2015 vom 30.5.2016
Die Walliser Regelung, wonach Eigentümer einer nicht mehr benutzten Baute zu einer Garantieleistung verpflichtet werden können, um Kosten zur Beseitigung des Bauwerks und für die vollständige Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zu decken, hält vor Bundesrecht stand. Tamoil, die im Wallis eine stillgelegte Raffinerie besitzt, ist mit einer Beschwerde beim Bundesgericht abgeblitzt.
1C_564/2015 vom 2.6.2016
Das Zugangs- und Auskunftsrecht der Journalisten erstreckt sich auf die amtlichen Dokumente. Die Bundesbehörden sind nicht verpflichtet, die Anzahl steuerrechtlicher Amtshilfegesuche an unser Land offenzulegen, selbst wenn andere Länder solche Daten veröffentlichen. Es ist nicht Aufgabe der schweizerischen Behörden, entsprechende Anfragen anstelle eines Journalisten zu tätigen und damit sozusagen seine journalistische Recherchetätigkeit zu übernehmen. Es ist dem Journalisten unbenommen, die entsprechenden Staaten selbst anzufragen.
1C_296/2015 vom 18.5.2016
Zivilrecht
Will ein gemeinsam sorgeberechtigter Elternteil ins Ausland ziehen, ist die Zustimmung des andern Elternteils oder, falls dieser nicht einverstanden ist, der Kesb bzw. des Gerichts nötig. Beim Entscheid über den künftigen Aufenthaltsort eines Kindes ist zentral, an welchem Ort unter Berücksichtigung der neuen Situation das Wohl des Kindes aufgrund der konkreten Umstände besser gewahrt sein wird.
5A_945/2015 vom 7.7.2016
Wenn ein gemeinsam sorgeberechtigter Elternteil ins Ausland ziehen will, bildet das bisherige Betreuungsmodell der Eltern einen Ausgangspunkt bei der Beurteilung der Frage, welche Lösung dem Wohl des Kindes besser entspricht. War der wegzugswillige Elternteil ganz oder überwiegend die Hauptbezugsperson, wird es tendenziell zum besseren Wohl des Kindes sein, wenn es bei diesem Elternteil verbleibt und mit ihm wegzieht.
5A_450/2015 vom 11.3.2016
Weil seine Ehefrau nach einem Autounfall an gravierenden Beeinträchtigungen litt, unterstützte und pflegte der Ehemann sie. Nach einigen Monaten entwickelte sich beim Ehemann, der beim fraglichen Unfall eine – bald darauf ausgeheilte – HWS-Distorsion erlitten hatte, eine somatoforme Schmerzstörung. Diese darf laut Bundesgericht nicht der Haftpflichtversicherung zugerechnet werden.
4A_637/2015 vom 29.6.2016
Eine Nationalrätin zog in ihrer Steuererklärung Wahlkampfkosten für die Wiederwahl in den Nationalrat als Berufsauslagen bzw. Gewinnungskosten vom steuerpflichtigen Einkommen ab. Laut Bundesgericht sind Wahlkampfkosten aber nicht abzugsfähig. Sie sind vielmehr persönliche Lebenshaltungskosten. Es ist für die Beurteilung der Frage nicht relevant, ob es sich um eine Erst- oder eine Wiederwahl handelt.
2C_860/2014 vom 24.5.2016
Ausländische Personen sind im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht zum Erhalt einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung nicht verpflichtet, von sich aus über die Existenz von Kindern zu informieren, die aus einer andern Verbindung stammen als derjenigen, auf die sich die Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung stützt. Denn für die Erteilung der Bewilligung ist die Existenz solcher Kinder nicht relevant. Ohne präzise Frage der Behörden stellt das Verschweigen solcher Kinder auch keinen Widerrufsgrund dar.
2C_706/2015 vom 24.5.2016
Das Bundesgericht präzisiert, wann eine Erklärung zur Herabsetzung des Mietzinses spätestens erfolgen muss. Aufgrund der Auslegung von Artikel 359d OR kommt das Gericht zum Ergebnis, dass keine spezifische Frist für die Abgabe der Herabsetzungserklärung besteht. Diese Erklärung kann deshalb auch noch abgegeben werden, nachdem der Mangel behoben oder der Vertrag beendet worden ist.
4A_647/2015 und 4A_649/2015 vom 11.8.2016
Strafrecht
Grundsatzurteil zur Unabänderlichkeit des rechtskräftigen Ersturteils: Eine Zusatzstrafe kann nur ausgesprochen werden, soweit die Strafen der neu zu beurteilenden Delikte und die Grundstrafe gleichartig sind. Dass das Zweitgericht die Zusatzstrafe nach den zu Art. 49 StGB entwickelten Grundsätzen zu bilden hat, erlaubt es ihm nicht, im Rahmen der retrospektiven Konkurrenz auf die rechtskräftige Grundstrafe zurückzukommen.
6B_829/2014 vom 30.6.2016
Künftig müssen Fahrzeuglenker nach einem Unfall immer mit Alkoholtests rechnen. Das bringt die gesetzliche Entwicklung der letzten Jahre bezüglich Alkoholkontrollen mit sich. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn der Unfall ohne jeden Zweifel auf eine vom Lenker völlig unabhängige Ursache zurückzuführen ist. Lenker können nunmehr ohne Anfangsverdacht einer Atemalkoholkontrolle unterzogen werden.
6B_756/2015 vom 3.6.2016
Das Bundesgericht hat den Rasertatbestand neu «justiert». Zwar ist auch künftig davon auszugehen, dass der Lenker bei solch massiven Tempoüberschreitungen vorsätzlich handelt. Das Bundesgericht will jedoch nicht ausschliessen, dass es Fälle gibt, bei denen die «Rasertat» nicht mit Vorsatz begangen worden ist. Der Richter muss deshalb über einen beschränkten Beurteilungsspielraum verfügen.
6B_165/2015 vom 1.6.2016
Ein Verurteilter rügte eine nicht gehörige Zustellung eines Strafbefehls, weil für ihn auf dem Abholschein nicht erkennbar gewesen sei, dass es sich um eine Sendung der Staatsanwaltschaft gehandelt hatte. Für die Annahme der Zustellfiktion ist vorauszusetzen, dass der Empfänger diejenige Behörde als Absender erkennen kann, mit deren Sendung er rechnen musste. Nicht erforderlich ist, dass der Absender der Sendung auf der Abholungseinladung selbst erkennbar ist. Es reicht, wenn die Sendung per Einschreiben erfolgt.
6B_110/2016 vom 27.7.2016
Sozialversicherungsrecht
Der Wohnkanton Zürich kann die Unterbringungskosten einer jungen Mutter und ihrer Tochter in einer Mutter-und-Kind-Wohngruppe in Zürich im Betrag von fast 11000 Franken monatlich nicht dem Heimatkanton (St. Gallen) überbinden. Besteht nach kantonalem Recht keine gesetzliche Grundlage für die Zuteilung staatlicher Kosten an ein anderes Gemeinwesen, verbleiben sie beim für die Erfüllung der Aufgabe zuständigen Kanton.
8C_709/2015 vom 17.6.2016
Interessanter Entscheid des Bundesgerichts zur Frage, ob ein Vorsorgefall bei der zweiten Säule eingetreten ist. Fall eines Versicherten, der nach einem Unfall infolge Überentschädigung (100 Prozent Invalidenrente der Suva) zu keinem Zeitpunkt Leistungen von seiner Pensionskasse erhielt und später verstarb. Nun fordert dessen geschiedene Ehegattin von den Erben ihres verstorbenen Gatten die Hälfte der Pensionskassengelder. Das Bundesgericht hat die Forderung abgewiesen, da der Vorsorgefall eingetreten war. Allerdings hat die Witwe Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäss Art. 124 ZGB.
9C_704/2015 vom 8.8.2016
Grundsatzentscheid zur Mutterschaftsentschädigung: Bei früher selbständigerwerbenden Müttern, die den Wechsel zur selbständigen Erwerbstätigkeit ohne Bezug von Leistungen der Arbeitslosenversicherung vollzogen haben, wird die Rahmenfrist gemäss Art. 9a Abs. 2 AVIG um die Dauer der selbständigen Erwerbstätigkeit, höchstens jedoch um zwei Jahre verlängert.
9C_577/2015 vom 16.8.2016