Staats-/Verwaltungsrecht
Juristische Personen können Bussen und andere finanzielle Sanktionen mit Strafcharakter steuerlich nicht in Abzug bringen. Solche Gelder stellen keinen geschäftsmässig begründeten und dementsprechend abzugsfähigen Aufwand dar. Könnten die Bussen abgezogen werden, würde ein Teil der Bussen mittelbar vom Gemeinwesen übernommen und die damit bezweckte strafende Wirkung unterlaufen. Abzugsfähig sind aber Bussen und Sanktionen, die unrechtmässig erlangten Gewinn abschöpfen.
2C_916/2014 und 2C_917/2014 vom 26.9.2016
Die Heilsarmee muss in ihren Alters- und Pflegeheimen begleiteten Suizid zulassen, obgleich dies mit ihrer religiösen Haltung nicht zu vereinbaren ist. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit hat hier vor dem Persönlichkeitsrecht des Sterbewilligen zurückzutreten. Das Recht auf persönliche Freiheit umfasst auch das Recht auf Selbstbestimmung und damit das Recht, die Art und den Zeitpunkt des Sterbens selbst zu wählen. Die Heilsarmee hat die Möglichkeit, die Sterbehilfe aus ihren Heimen zu verbannen, müsste aber im Gegenzug auf Subventionen verzichten.
2C_66/2015 vom 13.9.2016
Werden Eingriffe in die Gewässer bewilligt, müssen die Behörde alle Massnahmen vorschreiben, die geeignet sind, günstige Lebensbedingungen für Wassertiere zu schaffen, die freie Fischwanderung sicherzustellen und die natürliche Fortpflanzung zu ermöglichen. Dies gilt auch, wenn eine Anlage erweitert wird. Beim Projekt «Überleitung Lugnez» der Kraftwerke Zervreila ist deshalb eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei müssen bei der Neubeurteilung der Umweltverträglichkeit und der Restwassermengen auch die Auswirkungen auf bereits bestehende Anlagen miteinbezogen werden.
1C_526/2015 und 1C_528/2015 vom 12.10.2016
Zivilrecht
Auf Verlangen eines Elternteils haben die Gerichte zu prüfen, ob für die Kinderbetreuung eine alternierende Obhut – das Kind lebt abwechselnd am Wohnort des jeweiligen Elternteils – in Frage kommt. Das Bundesgericht hat dazu Kriterien aufgestellt, wobei immer das Wohl des Kindes der entscheidende Faktor sein muss. Dazu gehört unter anderem die Fähigkeit und Bereitschaft der Eltern, in Kinderbelangen zu kommunizieren und zu kooperieren.
5A_904/2015 und 5A_991/2015 vom 29.9.2016
Will ein Elternteil bei gemeinsamer elterlicher Sorge den Aufenthaltsort des Kindes innerhalb der Schweiz verlegen, bedarf es laut Gesetz der Zustimmung des andern Elternteils, wenn der Umzug erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge und den persönlichen Verkehr durch den andern Elternteil hat. Von «erheblichen Auswirkungen» auf die elterliche Sorge ist in erster Linie dann auszugehen, wenn die Verlegung des Aufenthaltsortes das bisher gelebte Betreuungsmodell berührt.
5A_581/2015 vom 11.8.2016
Sind mehrere teilbare Ansprüche gegen denselben Schuldner in einer Klage gehäuft und wird davon aber bloss ein Teil eingeklagt, ist in der Klage zu präzisieren, in welcher Reihenfolge und in welchem Umfang die einzelnen Ansprüche geltend gemacht werden. Ziel ist, dass es nicht zu einer alternativen objektiven Klagenhäufung kommt. Andernfalls genügt das Rechtsbegehren den Bestimmtheitsanforderungen der ZPO nicht, weshalb nicht darauf einzutreten ist.
4A_99/2016 vom 18.10.2016
Strafrecht
Ein Gericht kann eine Zusatzstrafe nur noch zu inländischen Urteilen aussprechen. An der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine Zusatzstrafe auch zu einem ausländischen Urteil ausgefällt werden kann, das Taten betrifft, die nicht in den räumlichen Geltungsbereich des Strafgesetzbuches fallen, ist nicht mehr festzuhalten.
6B_466/2015 vom 28.9.2016
Die Zürcher Justiz muss einen Vermögensverwalter, der innert drei Monaten für einen Kunden mehr als 2500 Trades vornahm und Transaktionskosten von 170 000 US-Dollar generierte, wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilen. Dem Kunden verblieben von 230 000 US-Dollar noch 460 Dollar. Der grösste Teil seines Vermögens – nämlich 73 Prozent – verpuffte aufgrund der vielen Trades. Bei den Transaktionskosten machten die Kommissionen über 160 000 Dollar aus, davon flossen 85 Prozent an die GmbH des Vermögensverwalters zurück.
6B_1203/2015 vom 21.9.2016
Gemäss Art. 376 StPO wird ein selbständiges Einziehungsverfahren durchgeführt, wenn ausserhalb eines Strafverfahrens über die Einziehung von Gegenständen oder Vermögenswerten zu entscheiden ist, also etwa dann, wenn aus irgendwelchen Gründen kein Strafverfahren stattfindet. Führt jedoch die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung durch, so findet ein Strafverfahren statt und ein selbständiges Einziehungsverfahren fällt daher ausser Betracht. Sind die Voraussetzungen der Einziehung erfüllt, muss diese in der Einstellungsverfügung angeordnet werden – der Behörde steht insoweit kein Ermessen zu. Der Wortlaut von Art. 320 Abs. 2 Satz 2 StPO «kann» ist somit ungenau.
6B_437/2016 vom 22.9.2016
Die Auszahlung eines Barbetrags von 4,6 Millionen Franken hat für die Post keine strafrechtlichen Folgen. Zwar erfüllt die Auszahlung dieses Betrags in objektiver Hinsicht den Tatbestand der Geldwäscherei, da die Vermögenswerte aus einem Verbrechen stammten. In subjektiver Hinsicht lässt sich nicht nachweisen, dass die Postangestellten hätten annehmen müssen, die Vermögenswerte stammten aus einem Verbrechen, und dass sie Vorsatz gehabt hätten, die Einziehung zu vereiteln.
6B_124/2016 vom 11.10.2016
Sozialversicherungsrecht
Die Krankenkassen müssen das teure Medikament Myozyme zur Behandlung der Stoffwechselkrankheit Morbus Pompe in gewissen Fällen übernehmen. Der Fall betrifft eine 76-jährige Frau, deren Behandlung zwischen April 2013 und März 2014 mit dem Medikament Myozyme mit fast 370000 Franken zu Buche schlägt.
9C_730/2015 vom 16.9.2016
Lebt ein Paar in einem stabilen Konkubinat und wird dabei ein Partner von der Sozialhilfe unterstützt, dann dürfen das Einkommen und Vermögen des nicht sozialhilfeberechtigten Konkubinatspartners im Sozialhilfebudget der Leistungsansprecherin angemessen berücksichtigt werden. Dabei spielt die Herkunft der Einnahmen des leistungsfähigen Partners keine Rolle. Es sind sämtliche Einnahmen, so etwa auch Ergänzungsleistungen der AHV, zu berücksichtigen. Liegt ein Einnahmenüberschuss vor, ist dieser als Konkubinatsbeitrag bei der Bemessung der Sozialhilfe voll zu berücksichtigen.
8C_138/2016 vom 6.9.2016