Staats-/Verwaltungsrecht
Die Durchsuchung einer Arztpraxis sowie die strafprozessuale Sicherstellung, Entsiegelung und Durchsuchung von ärztlichen Berufsunterlagen und Aufzeichnungen müssen verhältnismässig sein. Wenn der von den Zwangsmassnahmen unmittelbar betroffene Arzt selbst beschuldigt ist, bildet sein Berufsgeheimnis kein absolutes gesetzliches Beschlagnahme- und Entsiegelungshindernis. Damit Unterlagen von der Staatsanwaltschaft ausgewertet werden dürfen, müssen sie einen engen Sachzusammenhang zum Gegenstand der Strafuntersuchung aufweisen beziehungsweise für die angestrebten Untersuchungszwecke unentbehrlich sein.
1B_330/2014 vom 21.11.2014
Zivilrecht
Bibliotheken dürfen auf Bestellung einzelne Artikel aus wissenschaftlichen Zeitschriften einscannen oder kopieren und per E-Mail oder per Post berechtigten Nutzern zustellen. Das Bundesgericht sieht in diesem Dokumentenlieferdienst keinen Verstoss gegen Urheberrechte und liess namhafte Verlage abblitzen.
4A_295/2014 vom 28.11.2014
Die Schweizerische Zivilprozessordnung äussert sich nicht zur Fristwahrung bei Rechtsmitteleingaben, die bei einer sachlich oder funktionell unzuständigen Behörde eingereicht worden sind, und auch nicht zur Frage der Weiterleitung solcher Eingaben an die zuständige Instanz. Das Bundesgericht hat nun entschieden, dass eine rechtzeitige Einreichung einer Berufung oder Beschwerde beim iudex a quo dem Rechtsmittelkläger nicht schadet. Die Rechtsmittelfrist ist gewahrt und die Vorinstanz hat das Rechtsmittel unverzüglich an die zuständige Rechtsmittelinstanz weiterzuleiten.
4A_476/2014 vom 9.12.2014
Der per 1. Januar 2008 neu im Gesetz aufgenommene Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB – Ehe zwecks Umgehung der Bestimmungen über Zulassung und Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern – findet keine Anwendung auf früher eingegangene Ehen. Eine intertemporalrechtliche Bestimmung fehlt. Zuvor zivilrechtlich gültig abgeschlossene Ehen sind nur durch Scheidung auflösbar.
5A_199/2014 vom 27.11.2014
Bei der Auslegung des Begriffs «berufsmässige Vertretung» kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Vertreter seine Tätigkeit gegen Entgelt oder als Erwerb ausübt. Ein Schutzbedürfnis des Publikums besteht bereits, wenn der Vertreter bereit ist, in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen tätig zu werden.
5A_289/2014 vom 21.10.2014
Die Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung ist eine vermögensrechtliche Angelegenheit, insbesondere in Fällen, in denen es um bauliche Massnahmen in gemeinschaftlichen Teilen des Stockwerkeigentums geht. Lautet das Begehren auf Aufhebung von Beschlüssen der Versammlung, setzt das Bundesgericht den Streitwert nach Ermessen fest (Art. 51 Abs. 2 BGG).
5A_527/2014 vom 21.10.2014
Ein Aktionär kann laut Art. 697a Abs. 1 OR die Anordnung einer Sonderprüfung nur dann beanspruchen, wenn er das Auskunfts- oder das Einsichtsrecht gemäss Art. 697 OR bereits ausgeübt hat. Der Gesuchsteller hat die Ausübung nicht bloss glaubhaft zu machen, sondern nachzuweisen.
4A_319/2014 vom 19.11.2014
Das Recht auf Namensänderung kann von jeder urteilsfähigen Person ausgeübt werden. Ein 12-jähriges Kind kann diesbezüglich als urteilsfähig gelten (vgl. Seite 46). In casu ging es um eine 12-jährige Oberschülerin, die nach der Scheidung der Eltern ihren Namen an jenen des sorgeberechtigten Elternteils anpassen wollte.
5A_334/2014 vom 23.10.2014
Strafrecht
Bei Art. 170 der StPO (Entbindung vom Amtsgeheimnis) muss gelten, was auch für Art. 320 StGB (Verletzung des Amtsgeheimnisses) gilt: Eine Emächtigung der vorgesetzten Behörde ist nicht erforderlich, wenn ein Polizist in einem Strafverfahren Aussagen über Feststellungen am Tatort macht, sofern er diesbezüglich einer Anzeigepflicht unterliegt. Das Amtsgeheimnis gilt nicht zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten, die mit derselben Angelegenheit befasst sind.
6B_51/2014 vom 23.10.2014
Art. 343 Abs. 3 StPO verpflichtet das Gericht, im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals zu erheben, sofern die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint. Dieses beschränkte Unmittelbarkeitsprinzip erleichtert dem Gericht die Beweiswürdigung durch den unmittelbaren Eindruck wie Mimik und nonverbale Kommunikation bei Zeugenaussagen oder durch Augenscheine.
6B_529/2014 vom 10.12.2014
Entschliesst sich die Staatsanwaltschaft nach einer Einsprache, am Strafbefehl festzuhalten, überweist sie die Akten unverzüglich dem erstinstanzlichen Gericht zur Durchführung des Hauptverfahrens. Der Strafbefehl gilt dabei als Anklageschrift (Art. 356 Abs. 1 StPO). Daraus ergibt sich, dass die Sachverhaltsumschreibung im Strafbefehl den Ansprüchen an eine Anklageschrift genügen muss.
6B_262/2014 vom 16.12.2014
Sozialversicherungsrecht
Die Vereinigten Abteilungen des Bundesgerichts (I. und II. sozialrechtliche Abteilungen) halten daran fest, dass kein Anspruch auf einen Elektrorollstuhl besteht, wenn ein Schwerstbehinderter trotz Elektrorollstuhl nicht in der Lage sein wird, sich selbständig fortzubewegen. Das Gericht lehnt auch ab, elektrische Schiebe- und Bremshilfen als IV-Zubehörleistung einzustufen.
8C_274/2013 vom 14.10.2014
Die Verwaltung ist über zehn Jahre nach Erlass einer Verfügung befugt, auf eine unrichtige Leistungszusprache oder -verweigerung wiedererwägungsweise zurückzukommen. Dies zeigt der Fall eines IV-Rentners, dessen Rentenerhöhung zweifellos als falsch einzustufen war.
8C_424/2013 vom 21.11.2014
Die Fachstelle für Personensicherheitsprüfungen ist nicht berechtigt, im Zusammenhang mit der Rekrutierung eines Stellungspflichtigen gegen einen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts Beschwerde beim Bundesgericht zu erheben.
8C_470/2014 vom 11.12.2014
Wer für zwei Arbeitgeber in zwei Kantonen tätig ist, erhält nur die Familienzulagen jenes Kantons, in dem das höhere Einkommen erzielt wird. Sind die Familienzulagen im andern Kanton besser, besteht kein Anspruch auf Vergütung der Differenz. Art. 7 Familienzulagengesetz greift nicht.
8C_250/2014 vom 02.12.2014
Die Gutachterwahl bei polydisziplinären Medas-Gutachten hat immer nach dem Zufallsprinzip zu erfolgen. Eine einvernehmliche Lösung ist nicht zulässig.
9C_708/2013 vom 28.10.2014